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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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mir seine Adresse und sagte, dass er mich erwartete.

Kapitel 3
     
    Werner Selter besaß in der Norfer Straße ein kleines Apartment.
    Er stand auf dem Balkon in der Sonne und winkte mir zu, als ich das Taxi verließ.
    »Er soll möglichst unauffällig Ihre Sachen aus dem Hotel holen«, flüsterte mir der Fahrer zu. Er grinste breit, stieg in den Audi und fuhr los.
    Ich überquerte die Straße und näherte mich dem Häuserblock. Mein Freund kam mir entgegen.
    »Solch eine Überraschung!«, rief er erfreut, umarmte mich und sagte: »Was machst du in Berlin?«
    »Ich besuche eine Lehrerfortbildung«, antwortete ich. »Das Übliche. Politische Vorträge, Schnellgänge durch Historisches und Statistisches.«
    Das Haus enthielt nur Apartments und lag in einem besseren Viertel. Die Straße war ohne Lärm, und Bäume warfen Schatten auf gepflegte Bürgersteige.
    Wir gelangten in das Haus durch einen kleinen Vorgarten, in dem Rosen blühten.
    »Hier haben viele Westdeutsche ihre Zweitwohnung«, sagte Werner.
    Sein Apartment war gemütlich. Möbel und Ausstattung hatte er solide ausgewählt für eine kleine Oase in einer Weltstadt.
    Werner wies mir einen Sessel an.
    »Trinken wir einen Ostfriesentee. Ich bereite ihn mit Mineralwasser zu, dann schmeckt er wie zu Hause in Ostfriesland.«
    Er betrat die kleine Küche. Ich vernahm, wie er Wasser aufsetzte und Geschirr aus einem Schrank holte.
    »Wie gefällt es dir? Leider habe ich wenig Zeit, sonst könnten wir einen Theaterbesuch ins Auge fassen«, rief er.
    Ich antwortete nicht direkt, war noch für Sekunden verstrickt in den Erlebnissen, die ich nicht deuten konnte.
    »Ja«, rief ich nach einer Weile zurück und wartete. Eine Tasse Tee konnte mir gewiss nicht schaden.
    Werner beobachtete mich von der Seite, als er das Geschirr auf den Tisch stellte. Er ging noch ein paar Mal in die Küche, dann goss er den Tee ein.
    Wir bedienten uns. Das Getränk war ihm gelungen und schmeckte mir so gut wie in Greetsiel im Witthus.
    »Was hast du?«, fragte er mich nachdenklich.
    Ich begegnete seinem irritierten Blick. »Du musst mir helfen«, murmelte ich. »Ich sitze in einer Klemme, ohne dich ausführlich informieren zu dürfen. Mein Reisegepäck befindet sich im Hotel Michels, Ecke Sanderstraße, in der Nähe vom Kurfürstendamm. Kannst du es dort für mich abholen?«
    Nachdenklich fragte er: »Du möchtest bei mir wohnen?«
    Ich nickte. Das Telefon klingelte. Werner verschwand in dem kleinen Korridor.
    Ich steckte mir eine Zigarette an und ging auf den Balkon. Die Straße war wie leer gefegt. Vor mir lag eine gepflegte Wiese, die bis an den nächsten Block reichte. Der Himmel war blau, und ich spürte die Wärme der Sonne im Gesicht.
    Alles deutete darauf hin, dass Inga nicht mehr in dieser Stadt war. Ich war fest entschlossen, die Rolle zu übernehmen, die die Gangster mir zugedacht hatten.
    Am liebsten hätte ich mich abgesichert und Werner in ihre Pläne eingeweiht. Seine Beurteilung der Situation hätte ich gern erfahren. Aber daran war nicht zu denken. Hinzu kam, dass er kinderlos in einer glücklichen Ehe lebte und nicht einmal ein Haustier fütterte, an das er seine Liebe verschwenden konnte. Darum war es mir peinlich, seinen mir verständlichen egoistischen Frieden zu stören.
    Ich vernahm seine Schritte und fühlte seine Hand auf meiner Schulter.
    »Es tut mir leid. Du sitzt in der Patsche. Bete zu Gott, damit er dir beisteht«, sagte er mit ernstem Blick.
    »Telefon?«, fragte ich.
    »Ja. Niemand darf erfahren, dass du bei mir wohnst. Sie drohen mir Rache an, falls ich etwas verrate, und dein Leben hängt davon ab, dass du über Erlebtes und Zukünftiges den Mund hältst. Sie wissen alles.«
    Er ging in die Wohnung.
    »Trinken wir den Tee zu Ende, dann hole ich dein Reisegepäck«, sagte er.
    Ich stand noch eine Weile auf dem Balkon, schaute auf die Fassade des mir gegenüberliegenden Hauses und hatte das Gefühl, beobachtet zu werden.
    »Scheußlich«, sagte ich zu Werner, setzte mich und trank den Tee.
    »Wie es weitergeht, weißt du nicht?«, fragte er, kannte die Antwort und fuhr deshalb fort: »Ich fahre morgen nach Hause. Niemand soll dort etwas erfahren.« Er stand auf und verließ das Apartment. Etwas später hörte ich das Tuckern seines Mercedes, als er davonfuhr.
    Man kann sich von allem trennen, aber nicht von einem Kind, selbst wenn es erwachsen ist. Es war nicht so, dass ich meiner Tochter Vorwürfe machte, denn schließlich war sie es, die mich in diese miese

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