Letzte Ausfahrt Ostfriesland
noch gehabt!
Doch als ich an Inga dachte, vergaß ich schnell den nackten, aufreizenden Körper der jungen Frau.
Mein Mund war belegt, mein Atem trug die Gerüche von Nikotin und Alkohol. Ich gurgelte mit klarem Wasser und ließ meine Hand über die grauen Stoppeln meiner Barthaare streichen. Mein Rasierapparat war ein Opfer der Siegesfeier geworden. Ich nahm mir vor, mir einen neuen zu besorgen, denn bei dem Reichtum in meiner Tasche hätte ich mir einen Friseur bestellen können.
Doch nun stiegen die ersten Zweifel in mir hoch. Was sollte ich mit dem Geld anfangen?
Noch hatte ich keine Hinweise über weitere Aufgaben. Mir kam der Gedanke, mich aus dem Hotel zu stehlen, um mich der Amsterdamer Polizei anzuvertrauen. Aber würden sie mir glauben?
Sicher, sie konnten den Dollarschatz beschlagnahmen. Meine reine Weste war unbeschmutzt. Mein Direktor konnte telefonisch befragt werden, denn schließlich befand ich mich in einem befreundeten Land.
Aber was würde aus Inga? Welche Aussagen bekämen die recherchierenden Beamten von dem barbusigen Engel im Berliner Dallas Palace?
Würden meine Billardfreunde noch aufzutreiben sein? Und das Mädchen der Nacht, was würde sie, in den Banden einer Organisation steckend, antworten, wenn ein Kommissar ihr zu Leibe rückte?
Ein durchgedrehter Pauker aus Westdeutschland, eine neue Version des Professors Unrat, der sich mit dreitausend Euro, abgehoben bei der Berliner Industrie- und Handelsbank, in die aufreizende, moderne Welt des Sexes begeben hat. Und erst recht meine Unterschrift auf einem Blankopapier pfiffiger Rauschgifthändler.
Ich entschloss mich, weiter mitzuspielen. Doch wie ging es weiter?
Ich griff nach meinen Schuhen, spuckte Hustenschleim ins Waschbecken und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.
Ich setzte mich auf die Bettkante und tauchte den linken Fuß in den ausgelatschten Schuh, spürte aber einen Widerstand.
Überrascht führte ich meine Hand zu dem Hindernis, und ich fand ein gefaltetes Blatt.
Mich interessierte nicht, wie die Absender es mir bei verschlossener Tür, während ich geschlafen hatte, zugesteckt haben konnten. Im Gegenteil, ich zitterte und erwartete eine geheime Botschaft meiner Tochter.
Ich hielt das Blatt so, dass das Licht der Sonne auf die Seiten fiel, und las mit aufgepeitschten Nerven:
Verlassen Sie das Zimmer, ohne auch nur das Geringste Ihres Gepäcks mit in den Frühstücksraum zu nehmen. Für die Sicherheit des Geldes ist gesorgt. Es wäre sinnlos, das Hotel fluchtartig zu verlassen, denn Sie kämen nicht weit.
Wollen Sie Ihre Tochter wiedersehen, dann verhalten Sie sich ruhig. Sie werden hervorragend frühstücken, können sich ohne Sorgen für einige Stunden in Amsterdam umsehen, falls Sie sich nicht töricht verhalten.
Betreten Sie Ihr Zimmer im Hotel Uplemur erst wieder um 15 Uhr! Für neugierige Fragen hätte niemand in diesem Hause Verständnis!
Falls Ihre pessimistischen Gedanken die Oberhand gewinnen sollten, Sie sich mit einem Sprung unter eine Straßenbahn oder in die Amstel von dieser Welt verabschieden wollen, lassen Sie Ihre Tochter im Elend zurück, die auf Ihre Energie vertraut. Es ist nicht notwendig, aber falls Sie uns misstrauen und sich vom Leben Ihrer Tochter überzeugen wollen, vielleicht auch mit ihr einen Blick austauschen wollen, dann begeben Sie sich um 12 Uhr auf den Platz vor der St.-Antonius-Kirche, in der Nähe der Leidse-Gracht, Kerkstraat, Ecke Jan Veererstraat. Dort kaufen Sie in einem der vielen Läden Taubenfutter. Vor dem Brunnen füttern Sie die Tauben. Ein Ausländer, der Ihre Sprache nicht versteht, wird Sie dort mit einem Taxi abholen. Um 15 Uhr finden Sie weitere Order in Ihrem Hotelzimmer vor. Finanzielle Schwierigkeiten haben Sie nicht zu befürchten.
Der Brief trug keine Unterschrift, sondern nur den angedeuteten Kopf eines Seehundes, wie ich feststellte.
Ich lehnte mich zurück. Einerseits war ich froh, dass mir klare Anweisungen gegeben wurden, andererseits bedrückte mich der Zwang, dem ich mich nicht entziehen konnte. Es war sinnlos, mich anders zu verhalten.
Ich trieb wie ein Floß auf dem Ozean, den zufälligen Stürmen überlassen, und hoffte, dass die Windrichtung stimmte, die mich an eine rettende Küste trieb.
Mein Selbstvertrauen wuchs. Zumindest konnte ich Inga heute sehen, mich davon überzeugen, dass sie noch lebte.
Das Frühstückszimmer war sauber, ja fast gemütlich. Ich wunderte mich darüber, dass einige Hotelgäste älter waren als ich und
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