Letzte Ausfahrt Ostfriesland
gegenseitig zu übertönen versuchten, als wir den Raum verließen.
Unser Beobachter bot uns Zigaretten an. Wir rauchten, und ich wusste, dass der Mann neben mir den Weg zurück in die Untersuchungshaft antreten musste, während ich meine Freiheit hatte.
Als der Beamte für einen Moment ans Fenster trat, fragte ich den Mann: »Sind Sie Herr Bayranük?«
Er schaute mich überrascht an. Seine Augen flackerten leicht, als wittere er Gefahr.
»Ja«, antwortete er leise.
»Sie hatten meinen Pass«, flüsterte ich ihm zu.
»Terrorristen?«, fragte er nur.
»Kaya geht es gut. Sie ist frei«, sprach ich leise. Ich hatte mein Gesicht seinem Ohr genähert.
»Keine Unterhaltung!«, rief der Wachbeamte forsch und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Bitte.«
Bayranük atmete tief durch. Ich bemerkte, wie sich sein Gesicht entspannte.
Ich fragte den Beamten, der den Fensterplatz verließ: »Wissen Sie, ob meine Tochter und ihre Freundin Kaya schon in Berlin angekommen sind?«
Ahnungslos fragte der Polizist zurück: »Sie meinen die beiden Zeuginnen im Rauschgiftfall, die aus Frankreich kommen sollten?«
Ich nickte nur.
»Die sind bereits im Hause«, fuhr er fort.
Bayranük, dem man - wenn nicht gerade den Mord an dem Minister Öchigyl - aber zumindest die Mittäterschaft vorwarf, war wohl in diesen Minuten einer der glücklichsten Menschen im Polizeipräsidium.
Kurz danach holten ihn zwei Polizisten ab. Er warf mir einen dankbaren Blick zu, als er das Zimmer verließ.
Mich bat man zu den Kolleginnen und Kollegen, die nun als Experten des türkischen Schulwesens galten. Der Oberkommissar hatte sich hinreißen lassen und einige Details meiner abenteuerlichen Seereise erzählt. Für sie war ich ein Held aus ihren Reihen, und sie klatschten in ihre Hände und spendeten mir mit Respekt Beifall.
Mir war das unangenehm, und ich konnte mir meine Abneigung gegen sie nur damit erklären, dass ich noch alles ablehnte, was mich an meine Schule erinnerte.
Die schöne Kollegin, meine Nachbarin im Flugzeug, traktierte mich mit hinreißenden Blicken.
Ich schüttelte meine Frostigkeit ab, verzieh dem Pädagogenkränzchen die Art, in der sie naive Fragen stellten und mir mitteilten, wie sie untereinander in Istanbul um mich in Sorge gewesen waren.
Für den Kommissar, der gelangweilt auf ihren Abschied wartete, hatte die Gegenüberstellung ein brauchbares Ergebnis gebracht.
Dieser Bayranük hatte sich als Doktor Klaus Udendorf in die Szene der Meerestiere geschlichen und, so der Stand, den Mord an dem türkischen Minister Öchigyl vorbereitet oder ausgeführt.
Die Pädagogen verließen das Zimmer. Ihr Geschirr wurde abgeräumt.
Paul Hammes kam zu mir.
»Szenenwechsel«, sagte er und grinste.
»Sie dürfen jetzt mit Ihrer Tochter reden, ohne dass wir ein Protokoll anfertigen, Herr Udendorf«, sagte er offiziell und fuhr fort: »Sie befindet sich allerdings in Begleitung ihrer Freundin. Ihnen sind die Gründe bekannt, die uns daran hindern, beide in die Freiheit zu entlassen.«
Ich freute mich und spürte das Lampenfieber, das in mir hochstieg. Was soll’s, dachte ich, verglichen mit den Gefahren, die sie ständig bedroht hatten, waren beide für mich so gut wie frei.
Ich hatte sie noch nicht erwartet, als die Tür geöffnet wurde und ein Beamter meine Tochter und Kaya hereinführte.
Inga war braun gebrannt, sah gepflegt und erholt aus, als käme sie frisch von einer Urlaubsreise zurück. Sie stürzte sich auf mich und weinte in meinen Armen vor Glück.
»Kind, wir haben es geschafft«, sagte ich, um sie zu beruhigen, und auch ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ich streichelte ihr Gesicht und sprach in ihr Schluchzen: »Nur noch einige Formalitäten.«
Inga schien die fremden Männer nicht wahrzunehmen. Sie löste sich aus meiner Umklammerung und ging zu Kaya, die ich erst jetzt bemerkte, nahm sie an die Hand und zog sie zu mir: »Hier ist er. Küss ihn. Vater ist überglücklich.«
Und das war ich auch!
Warum schauspielern?, fragte ich mich.
Ich schloss Kaya in meine Arme, drückte sie an meinen Körper, und das zierliche Mädchen verschwand fast vor den überraschten Blicken der anderen unter meinem vorgebeugten Oberkörper. Für Sekunden verharrten wir so und verstanden uns, ohne ein Wort zu sprechen.
Ich küsste Kaya auf den Mund, als sie ihren Kopf anhob und mich glücklich und dankbar anschaute.
Kaya verließ mich und ging zurück zu Inga. Der Oberkommissar wies ihnen Stühle zu.
»Wie ist es euch in
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