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Letzte Ausfahrt Oxford

Letzte Ausfahrt Oxford

Titel: Letzte Ausfahrt Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Wir sind hier in Liberty Hall, Viv. Du wirst dich sicher bald an uns gewöhnen«, sagte Dilly. Tageslicht strömte durch die bunten Glasscheiben der Eingangstür, lag wie edelsteinfarbene Pfützen auf dem fadenscheinigen Teppich und überglänzte Haar und Gesichter der beiden Frauen.
    »Sie kann nichts dafür. Du darfst ihr nicht die Schuld geben«, sagten beide. »Sie hat bestimmt nur das Beste gewollt.« Ihre Gesichter tanzten und baumelten vor mir herum. Ihre Augen versuchten, mit meinen Kontakt aufzunehmen. »Aber ab jetzt bist du unser lieber kleiner Junge.«
    Die Musik steigerte sich zum Crescendo, und ich dachte, jeden Augenblick müsste über meinem Kopf ein Trapez durch das Zimmer schwingen, oder ein Mädchen in Netzstrümpfen käme über die Wäscheleine in der Küche spaziert.
    »Wir haben uns immer einen kleinen Jungen gewünscht«, sagte Dilly.
    »Und jetzt bist du da«, sagte Nonie. Wir setzten uns, aßen Butterbrot mit Fischpaste und teilten uns eine in Scheiben geschnittene Tomate, die wir mit Salz bestreuten und in Salatcreme tunkten. Anschließend musste ich meine Zähne putzen und mir das Gesicht mit einem feuchten Waschlappen abwischen, denn ich sollte früh zu Bett gehen.
    »Du hast dein eigenes Zimmer. Nonie hat es eigens für dich blau angestrichen.« Es war hyazinthenblau, wie die Tür unseres Hauses in Nord-Oxford.
    Vor dem Einschlafen las mir Dilly eine Geschichte vor. Ein Märchen der Gebrüder Grimm. Mir gefielen die düsteren schwarz-weißen Bilder des alten Buches. In der Nacht träumte ich von einem Turm und einer Prinzessin, aber jedes Mal, wenn ich versuchte, am glatten Mauerwerk empor zu dem hellen Fenster an der Spitze zu klettern, rutschte ich ab und landete im Dornengestrüpp am Fuß des Turms.
    »Darf ich jetzt nach Hause?«, fragte ich das leere Zimmer am folgenden Morgen. Ich war von den Tanten entführt worden. Meine Mutter wusste nicht, wo ich war, aber eines Tages würde sie zurückkommen und mich retten.
    Ich ging nach unten, einem ungewohnten, süßlich schweren Geruch entgegen. Wahrscheinlich habe ich die Nase gekraust, denn Dilly sagte: »Wir kochen Fleisch für die Katzen.«
    »Pferdefleisch«, sagte Nonie. »Wir bekommen es jeden Mittwoch von einem Mann auf dem Markt.«
    Was mögen sie wohl mit den Hufen und Ohren gemacht haben?
    Und dann entdeckte ich die Katzen. Sie waren gestreift und gefleckt wie ihre großen Brüder im Zoo, streckten und putzten sich und schmiegten sich schnurrend um meine grauen Schulsocken. Aus dem Radio kam immer noch Blasmusik, und Tante Nonies Haar stand steif wie eine Schirmmütze von ihrem Kopf ab.
    »Holt meine Mutter mich heute ab?«, fragte ich.
    »Vielleicht«, sagte Nonie.
    »Wenn sie rechtzeitig von ihrer Reise zurück ist«, sagte Dilly.
    »Was für eine Reise?«, fragte ich.
    Aber Nonie rührte in ihrem Hexengebräu und löffelte ab und zu lange Fleischstreifen aus dem Topf. Dilly stand auf dem Küchenschemel und nahm Wäsche von der Leine. Vielleicht würde das Mädchen in Netzstrümpfen und Flitter über sie hinwegtanzen.
    Das alles geschah, bevor Nell auftauchte.
    Der Geruch nach gekochtem Pferdefleisch folgte mir jeden Tag bis in die Schule; ein Grund mehr, der mich von den anderen Kindern entfernte. Aber ich wollte sowieso nichts mit ihnen zu tun haben. Ich marschierte zum Humpta Humpta der Blasmusik; der Rhythmus, zu dem sie tänzelten, war erheblich sanfter.
    Während der Schulstunden saß ich da und träumte vom Gesicht meiner Mutter. Sie hielt mich an den Schultern fest. Deutlich spürte ich die schwarzen Blütenblätter in der weichen Haut über meinen Achseln. Ihr langes Haar strich über mein Gesicht.
    »Ich komme wieder«, sagte sie. Ihre Stimme klagte wie ein Cello. »Du darfst nicht um mich weinen, Viv, aber du sollst jeden Tag an mich denken.« Und sie rüttelte mich sanft. Die schwarzen Blütenblätter legten sich auf meine Haut. Ihr Haar schimmerte. Ich blickte in die grünen Teiche ihrer Augen und ertrank darin. Dann ging sie fort und ließ mich allein. Ich sah ihr nach. Sie wurde schneller, drehte sich noch einmal zu mir um, und ein Lächeln kräuselte ihre schön geschwungenen Lippen.
     
    Waschen war etwas, worauf die Tanten keinen besonderen Wert legten. Heißes Wasser wurde bei ihnen rationiert. Nur nach gutem Zureden zischte es bösartig aus dem korrodierten Kupferrohr des kaputten Durchlauferhitzers. Dieser Durchlauferhitzer hatte etwas gegen mich. Er wartete nur darauf, dass ich allein im Bad war; sofort

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