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Letzte Ausfahrt Oxford

Letzte Ausfahrt Oxford

Titel: Letzte Ausfahrt Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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seine Beine fast vergessen hat. Die obere Hälfte des Mannes ist glatt und gepflegt, sein Jackett hat er gebürstet und gebügelt, er trägt ein sauberes Hemd und eine ordentliche Krawatte. Aber seine Hosen sind zerknittert, völlig ausgeleiert und sitzen schlecht, und seine Absätze sind so schief gelaufen, als gehöre die gesamte untere Hälfte zu einer anderen Person.
    Wir leerten unsere Gläser. Wortlos streckten wir sie Tom entgegen, der für Nachschub sorgte. Der Ausdruck »illegale Aktion« hatte mir einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen lassen, und ich war sicher, dass es Tom ebenso ging.
    »Du hast vollkommen Recht. Denn was enthalten Datenbanken?« Harrys Frage war rein rhetorisch. »Natürlich. Sie enthalten alle Informationen, die wir benötigen, um unser Produkt genau in der richtigen Marktnische zu platzieren.«
    »Marktnische? Produkt?«, fragte Tom. »Welches Produkt?«
    Klar, dass wir es wussten. Wir wussten es wirklich.
    Im vergangenen Monat hatten wir einen Lehrgang besucht, der von den gleichen grauen Anzügen mit den gleichen teigigen Gesichtern abgehalten worden war. Thema war die Sicherheit in Bibliotheken gewesen. Wir drei arbeiteten mit Büchern, die alle teuer, manchmal sogar wertvoll waren. Aber Harrys Frage war durchaus berechtigt: Was sollte man mit einem Buch anfangen, wenn man es einmal gestohlen hatte? Wie konnte man es in bare Münze verwandeln? Und wie – ganz wichtige Überlegung – blieb man unentdeckt?
    »Aufkleber«, sagte Tom. »Stempel. Listen. Sie sind dazu da, das unrechtmäßige Entfernen von Büchern zu verhindern.« (Das Wort Diebstahl wurde nicht erwähnt, haben Sie es bemerkt?)
    Harry entkräftete die Einwände einen nach dem anderen.
    »Hier in diesem Zimmer«, sagte er, während er jedem von uns einen dritten, großzügig bemessenen Whisky einschenkte, »ist genau das Fachwissen versammelt, das wir brauchen. Tom arbeitet in der Instandhaltung und kennt sich mit Papierarten und Tinten aus. Ich bin sicher, er weiß, wie man unerwünschte Zeichen aus Büchern entfernt und sie durch etwas ersetzt, das unseren Vorstellungen erheblich näher kommt. Auf John können wir uns im Hinblick auf Computer voll und ganz verlassen. Er wird dank vieler netter kleiner Netzwerke mögliche Märkte in der ganzen Welt auftun. Und was mich angeht, so weiß ich eine ganze Menge über solche Bücher, für die einige Leute Unsummen ausgeben würden.«
    »Wir könnten unsere eigenen Aufkleber und Stempel entwerfen«, sagte Tom. »Irgendetwas Solides, ehrbar Aussehendes. Wenn wir es richtig anfangen, stehen wir vielleicht eines Tages sogar in den Verzeichnissen.«
    »Jetzt geht aber deine Fantasie mit dir durch«, sagte ich, denn ich kannte den Wert gut vorgebrachter Lügen. »Was übrigens den Teil angeht, wo der Computer eine Rolle spielt, so müssen wir ihn so simpel wie möglich halten. Kompliziert aufgebaute Computerkriminalität ist leicht zurückzuverfolgen, denn es gibt nur wenige Leute, die über genügend Wissen verfügen. Sie sind fast immer Profis, echte Computerfreaks. Wir müssen unsere Bemühungen auf einem Level halten, mit dem jeder normale Operator klarkommt.« Ich dachte dabei an eine Frau in meiner Abteilung – nennen wir sie Josie, denn auch alle anderen erscheinen in dieser Geschichte unter Pseudonym –, die mich tagtäglich mit ihrem Geschwätz und ihren Arbeitsunterbrechungen nervte. Sie kam mit ihrer Arbeit nicht voran und hinderte mich daran, mein Pensum zu schaffen. »Ich könnte mir außerdem ein fremdes Passwort ausborgen und sicherstellen, dass es nur dann benutzt wird, wenn die betreffende Person eigentlich im System sein sollte, sich aber tatsächlich irgendwo im Haus herumtreibt und Tee trinkt oder quatscht.«
    »Wie willst du es denn schaffen, ein Passwort zu stehlen?«, fragte Tom.
    »Ich will es mir nur ausborgen, nicht stehlen. Man sucht sich einfach jemanden aus, der dumm und verantwortungslos genug ist und dem es an Fantasie mangelt«, antwortete ich. Dabei hatte ich Josies Bild deutlich vor Augen. »Es gibt eine ziemlich einfache Methode, Einträge so zu löschen, dass keine Spur zurückbleibt. Selbst ein völlig Unerfahrener könnte das zuwege bringen, vorausgesetzt, er weiß, wie es funktioniert. Ich nenne diese Methode Ausfahrt Oxford.« Beide sahen mich aufmerksam an, aber ich wollte die Idee nicht preisgeben, ehe ich sie nicht noch ein paarmal ausprobiert hatte.
    »Als Nächstes sollten wir daran denken«, fuhr Harry fort, »andere

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