Letzte Ausfahrt Oxford
Dingen zu greifen.
Nachdem sie ihre tausend Worte in den Computer getippt hatte, erstellte sie einen neuen Ordner, den sie Sicherheit nannte. Sie öffnete eine neue Datei namens Notizen , versah sie mit dem Datum und gab die Beobachtungen ihres Tages ein:
Vor zwei Tagen: Besuch von Andrew Grove von der Bodleian Bibliothek, Mitglied des Sicherheitsteams in Begleitung seiner Freundin Isabel Ryan.
Ein Buch samt zugehörigem Eintrag im Katalog ist aus einer der Fachbereichsbibliotheken verschwunden. Das Sicherheitsteam geht von einem groß angelegten Diebstahl aus. Machen die etwa aus einer Mücke einen Elefanten?
Isabel erwähnt ein Mädchen namens Jenna, das tot ist. Auch Paul Taylor kennt den Namen, aber niemand scheint mir nähere Informationen geben zu wollen.
Gestern: Treffen in den Büroräumen der OUL-BCST. Anwesend: Andrew Grove, Charles Trim, ich. Ich soll als Nacherfasserin arbeiten, mich in den Bibliotheken umsehen und errechnen, wie viel Zeit nötig ist, um sämtliche Sammlungen in den elektronischen Katalog einzugeben. Millionen Menschen in der ganzen Welt haben per Computer Zugang zum Katalog, aber nur dreizehn ranghohe und offenbar respektable Leute wären in der Lage, den Katalog nach einem Diebstahl zu manipulieren. Ganz oben auf der Liste stehen Charles Trim und Andrew Grove sowie ein gewisser Graham Kieler, den ich noch nicht kennen gelernt habe. Ist Mitglied des Sicherheitsteams. Charles Trim ist mir unsympathisch. Ein aufgeblasener Wichtigtuer mit der menschlichen Wärme und Ausstrahlung einer Dampfwalze.
Überhaupt ist das Sicherheitsteam in seinem verschimmelten Haus schwer zu verknusen. Würde mich freuen, wenn der Dieb dort zu finden wäre.
Kate las die Punkte durch, die sie aufgeschrieben hatte, und seufzte. Diese subjektiven Ergüsse konnte sie keinesfalls für Andrew ausdrucken. Zumindest sollte sie ihre emotionalen Reaktionen auf bestimmte Leute aus den Notizen entfernen. Andererseits könnte sie natürlich die unverfänglichen Absätze in eine neue Datei kopieren, die sie Report nennen würde, und sie an Andrew weiterleiten. Wer weiß, ob ihre ersten Eindrücke und Reaktionen auf Leute, denen sie vorgestellt wurde, sich nicht eines Tages als nützlich für ihre Nachforschungen erwiesen. Sie schrieb also weiter:
Den ganzen Morgen in der Bodleian verbracht. Wurde fotografiert und habe meine Kenntnisse im Katalogisieren aufgefrischt.
Nachmittag in der Erfassungsabteilung der Bodleian verbracht. Lauter Leute, die sich ausschließlich für Computer interessieren und, soweit ich feststellen konnte, ausschließlich moderne Literatur kennen. Einen netten jungen Mann namens Marc kennen gelernt.
Ian Maltby: schleimiger Typ, der sich beim Tee an mich rangemacht hat und darauf bestand, mir sein Büro zu zeigen. Würde mich freuen, wenn er ebenfalls etwas mit dem Diebstahl zu tun hätte. Arbeitet in einem kleinen Labor, Spezialist für Papier und Tinten. Nichts Verdächtiges, außer seinem abscheulichen Charakter.
Kate markierte und kopierte die Punkte, die sie für Andrew vorgesehen hatte. Ihr Tagewerk war beendet.
Herunterfahren , schlug der Computer vor.
Und Kate klickte auf O . K .
IV
Übungen zur Entwicklung der Handlung
D ie Handlung bereitet vielen Autoren Probleme . Wenn Sie jedoch lange genug über Ihre Einstiegsidee nachdenken , werden Sie bald erkennen , wie Sie Handlung erweitern und so entwickeln können , dass sie ausreicht , ein ganzes Buch zu füllen . Dabei entstehen die besten Handlungen auf der Grundlage einer bestimmten Charakterzeichnung . Diese Woche möchte ich Sie bitten , sich Ihre Geschichte der letzten Sitzung vorzunehmen und zu versuchen , sie weiterzuentwickeln . Bemühen Sie Ihre Fantasie , und loten Sie alle Möglichkeiten aus .
Ich glaube kaum, dass ich Ihnen die Gefühle beschreiben kann, die mich an dem Morgen heimsuchten, als ich mich auf die Busfahrt nach Oxford und zur Bodleian Bibliothek vorbereitete. Neben dem in meinem Kopf brodelnden Triumph verspürte ich natürlich auch Angst, als der erkannt zu werden, der ich in Wirklichkeit war. Ich erwartete beinahe, dass mir jedermann meine wahre Identität ansehen könne – vom Busfahrer, der das Fahrgeld kassierte, bis zum Portier, der mir den Weg zum Sekretariat wies. Ich fühlte geradezu einen Schriftzug in riesigen Lettern quer über meine Stirn: Dieser Mann ist ein Betrüger . Meine Hände waren feucht , ich schwitzte unter den Achseln und neben meinem linken Auge flatterte ein kleiner
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