Letzte Ausfahrt Oxford
dem Klatsch der jungen Frauen. Ich bemühte mich, alles, was ich hörte, in einen Rahmenplan einzupassen, den ich vor dem folgenden Montag nutzen konnte. Dabei erfuhr ich zwei Dinge, die zwar einzeln nicht von großer Bedeutung waren, aus deren gemeinsamer Verwendung ich aber Vorteile ziehen konnte.
Der erste Vorfall ereignete sich am Nachmittag nach unserer beunruhigenden Unterhaltung über die verschwundenen Bücher. Jennas Stimme schallte anklagend durch das Büro:
»Mein Lexikon ist weg!«
Vermutlich galt der Ausruf ihrer persönlichen Ausgabe des einbändigen Nachschlagewerks, das von der Oxford University Press veröffentlicht wird. Zunächst achtete ich nicht darauf, denn die Angelegenheit hatte nichts mit mir zu tun.
Eine Stimme antwortete: »Auf dem Regal neben dem Telefon steht eines. Du kannst es ruhig benutzen.«
»Ich besitze eine eigene Ausgabe. Normalerweise steht sie auf meinem Schreibtisch, aber jetzt ist sie weg.«
»Das Buch wird schon wieder auftauchen«, sagte eine andere Stimme beruhigend. »In der Zwischenzeit kannst du doch mit der Bibliotheksausgabe arbeiten.«
Aber so schnell gab Jenna nicht auf. Sie begann an einem Ende des Büros, nahm jedes einzelne Buch auf jedem einzelnen Schreibtisch in die Hand – manche Mitarbeiter hatten ziemlich viele Bücher auf ihren Schreibtischen liegen – und machte nicht Halt, bis sie das andere Ende des Raums erreicht hatte. An der Tür nahm sie Aufstellung und funkelte uns wütend an.
»Aber jemand muss es doch haben«, sagte sie. Sie wirkte äußerst unattraktiv mit ihren kriegerisch auf die Hüften gestützten Fäusten. Ich fuhr ruhig mit der Arbeit fort, für die ich schließlich bezahlt wurde.
»Versuch es doch mal nebenan«, schlug jemand vor. »Da sitzen sicher ein paar Leute mit Tendenz zu langen Fingern.« Sofort verschwand Jenna im Nebenraum. Wir hörten sie mit erhobener Stimme jeden einzelnen Kollegen im Nachbarbüro ausfragen. In unserem Büro wurde gekichert und geflüstert.
Jenna fahndete den ganzen Nachmittag nach ihrem Lexikon. Sie war noch mit dem Durchforschen sämtlicher Regale im Büro beschäftigt, als alle anderen längst Feierabend gemacht hatten.
»Es muss hier irgendwo sein«, murmelte sie vor sich hin, »und ich werde es finden. Ich kann einfach nicht ertragen, etwas zu verlieren. Bis ich es endlich wiederfinde, bin ich total nervös.«
Ich glaube, sie fand das Buch schließlich auf dem Handwagen des Angestellten, der für die Barcodes zuständig ist: Irgendwie war das Lexikon in einen Stapel bereits katalogisierter Bücher geraten und wartete brav auf seine Standortmarkierung und den Barcode. Hätte sich Jenna bis zum nächsten Morgen geduldet, wäre schnell festgestellt worden, dass es sich bei dem Lexikon nicht um ein Bibliotheksbuch handelte, und man hätte es ihr zurückgebracht. Dummes Mädchen. (In Anbetracht der Umstände: sehr dummes Mädchen!)
Die zweite wichtige Information erhielt ich am folgenden Morgen während der Kaffeepause. Ich saß allein am Tisch, aß einen Vollwertkeks und tat so, als läse ich ein Buch, doch mein Gehirn schlug sich mit meinem Problem herum. Am Nebentisch saß ein Trupp junger Mädchen, deren Haare und Röcke sämtlich zu kurz und deren Stimmen zu laut waren. Erst als ich Jenna hörte, begann ich, dem Gespräch Aufmerksamkeit zu schenken.
»Wir übernachten in der Jugendherberge«, sagte Jenna.
»Sind wenigstens ein paar nette Männer dabei?«, fragte ein anderes Mädchen.
»Das ist nicht der Sinn dieses Wochenendes«, sagte Jenna affektiert. »Aber es stimmt schon, wir sind eine gemischte Gruppe. Uns verbindet die Liebe zu christlichen Gesängen im Stil von Folksongs.«
Beinah hätte es mich geschüttelt. Aber ich musste unbedingt wissen, ob sie vom kommenden Wochenende sprach.
»So, wie es aussieht, habt ihr ja wenigstens gutes Wetter. Erst für Sonntagnachmittag ist Regen angesagt«, sagte ein blondes Mädchen und bestätigte damit meine Vermutung.
»Wie kommt ihr denn hin?«
»Mit dem Zug. Es ist nicht weit. Das Treffen findet nördlich von Charlbury statt. Ich nehme mir Freitagnachmittag frei. Unser Zug geht um fünf nach halb zwei, und die zwei Meilen vom Bahnhof aus laufen wir.«
Ihre Freundinnen lachten auf und stöhnten mitleidig. Ich nahm mir vor, in einer Buchhandlung eine Karte zu konsultieren, die mich über die genaue Lage der Jugendherberge in Kenntnis setzen würde. Auch würde ich die Abfahrtszeiten möglicher Züge für die Rückfahrt nach Oxford in
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