Letzte Ausfahrt Oxford
Erfahrung bringen müssen, denn Jenna und ihre Freundinnen beendeten die Kaffeepause, ohne mich mit weiteren Informationen zu versorgen.
Haben Sie schon einmal festgestellt, dass man nach der Niederschrift von etwa tausend Wörtern eine Pause braucht? Oder können sich hauptberufliche Schriftsteller zwingen, sagen wir einmal fünftausend Worte an einem Stück zu schreiben? Ich habe mir jedenfalls gerade eine Unterbrechung gegönnt, und wollte im Garten ein wenig frische Luft und Ruhe tanken. Doch meine widerliche Nachbarin hat mich daran gehindert. Sie hatte wohl ihren Waschtag. Die Wäsche der gesamten Familie hing auf der Wäscheleine quer durch den Garten und behinderte meine Aussicht. Heute war die weiße Wäsche dran. Unterhosen jeder Größe und Form flatterten im Wind; Hemden bauschten sich wie Ballons und winkten mit wehenden Ärmeln verängstigt in den Himmel; Hemden und Höschen knatterten mir auf laszive Weise entgegen. Es war nicht auszuhalten.
Und ich habe es nicht ausgehalten. Ich sammelte etwas trockenes Holz und zerknüllte ein paar Zeitungen. Trotzdem verbrauchte ich fast eine halbe Schachtel Streichhölzer, ehe ich ein Feuerchen anzünden konnte. Doch mithilfe einiger Latten, die sich noch in meinem Gartenhaus befanden, flackerte es schließlich doch lichterloh. Dann erstickte ich die Flammen mit Grasschnitt, grünen Ästen und Blättern von meinem Komposthaufen. Die Wirkung war phänomenal. Dicker, schwarzer Qualm wirbelte über das niedrige Mäuerchen, das meinen Garten von ihrem trennt, und hinterließ graue Schmierspuren auf der gesamten Wäsche der Frau. Bis die Nachbarin von ihrem Einkauf zurückkehrte, war mein Feuer längst erloschen. Sie stand an der Grenzmauer, starrte in meinen Garten und hoffte wohl, mich auf frischer Tat zu ertappen.
Aber mich ertappt niemand auf frischer Tat.
Ich ging wieder ins Haus, um weiterzuschreiben, aber ich glaube, sie hat die Zweige meines Schmetterlingsstrauches abgehackt, die in ihren Garten hinüberhingen. Allerdings macht das nichts. In der kommenden Nacht werde ich mich auf ihr Grundstück schleichen und sämtliche rosa Rosen abschneiden. Diese Frau verdient sie sowieso nicht.
Schade, dass wir uns nicht persönlich unterhalten können, Mrs. Dolby. Es gibt so viele faszinierende Dinge beim Schreiben, über die ich gerne mit Ihnen sprechen würde. Aber sicher verstehen Sie, dass ich meine Erfahrungen unmöglich mit Ihnen teilen kann. Trotzdem rede ich im Kopf ständig mit Ihnen.
Nun gut, am Donnerstag jener unvergesslichen Woche stand mein Plan in groben Umrissen fest. Es überrascht Sie sicher nicht, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich mich sehr akribisch um die Details kümmerte. Ich konsultierte Zugfahrpläne, suchte die Jugendherberge auf (deren Bewohner natürlich nichts von meinem Besuch merkten) und bereitete den Innenraum meines Autos so vor, dass ich sämtliche Spuren des Ereignisses vom Sonntag schnell würde beseitigen können. Ich entschloss mich überdies, den Wagen etwa zwei bis drei Monate später für ein neues Auto in Zahlung zu geben. Damit würde eine gründliche Innenreinigung keinerlei Verdacht erregen, sondern ganz normal erscheinen. Ich glaube, ich erwähnte bereits, dass ich einen Overall trug. Das entspricht zwar nicht unbedingt meinem üblichen Bekleidungsstil, aber ich fand einen in einer so unauffälligen Farbe, dass mich niemand, der mich darin sah, in Erinnerung behalten würde.
Eigentlich wollte ich nicht darüber schreiben, aber ich fürchte, ich werde beobachtet.
Jemand ist in meinem Büro gewesen, als ich gerade nicht da war. Der Grund dafür ist mir schleierhaft. Warum werde ich nicht informiert? Ob mir jemand auf die Schliche gekommen ist? Eigentlich ist es unwahrscheinlich, denn ich habe meine Spuren sehr gut verwischt. Seit Jenna nicht mehr lebt, bin ich auch bei den Aktionen unseres Unternehmens sehr viel vorsichtiger geworden.
Trotzdem muss ich gestehen, dass es ein interessantes Gefühl ist und ich gerne darüber schreiben würde. Ich möchte mich manchmal ganz schnell umdrehen und über meine Schulter blicken. Wer weiß, vielleicht erhasche ich einen Blick auf die Person, die mir nachspürt. Alles, was ich tue, scheint sich wie ein Schuldeingeständnis auslegen zu lassen. Fühlt sich so ein unschuldiger Mensch, der verfolgt wird?
Merkwürdig – kaum beginnt man zu schreiben, kann man jedes ganz alltägliche Ereignis in Material für einen Roman verwandeln. Aber auch das Gegenteil ist der Fall.
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