Letzte Ausfahrt Oxford
Andrew. Ich werde sie behandeln wie ein rohes Ei. Gib mir einfach ihre Telefonnummer. Dann brauche ich dich noch nicht einmal in die Verlegenheit zu bringen, sie mit mir zusammen zu besuchen.«
»Sehr gut. Während der nächsten paar Tage ist sie bei ihren Eltern in Shropshire. Du wirst dich also erst nach deiner Rückkehr aus Amerika mit ihr treffen können. Ich bin froh, wenn du endlich nach Santa Luisa abdampfst. Und was die Kämpfe der Straßengangs angeht …«
»Du solltest mich nicht provozieren, Andrew. Ich verspreche, sehr charmant zu Isabel zu sein, deine Kumpel in San Francisco äußerst liebenswürdig zu behandeln und werde dir jeden Abend schreiben, was ich getan habe. Mach dir also keine Sorgen. Ach, übrigens, kann ich in Amerika mit meinem britischen Führerschein fahren?«
Andrew erschauerte. »Offiziell ja. Inoffiziell solltest du sehr vorsichtig sein, Kate.«
»Gleich morgen buche ich einen Flug und miete einen Wagen.«
»Du musst mir unbedingt versprechen, mich jeden Tag auf dem Laufenden zu halten.«
»Sicher, Andrew. Natürlich, Andrew. Würdest du einen Teil meiner Ausgaben bestreiten? Nicht? Nun gut. Und jetzt darfst du mir noch ein Glas von diesem Burgunder einschenken, denn ich muss heute nicht selbst fahren.«
Zurück in der Agatha Street, ließ sich Kate von einer vom Burgunder inspirierten Woge guten Willens mitreißen und rief Emma an.
»Emma? Ich rufe wegen des Schreibkurses an.«
»Ich wusste doch, dass du deine Meinung noch ändern würdest. Der Kurs ist eine echte Herausforderung, Kate. So etwas konntest du noch nie widerstehen. Habe ich dir eigentlich erzählt, dass er von der Universität organisiert worden ist? Es ist wirklich der beste Schreibkurs in ganz Oxford.«
»Wie viele Schreibkurse gibt es denn in einer Stadt mit hundertdreißigtausend Einwohnern?«
»Kann sein, dass er der einzige im Stadtzentrum ist. Aber er ist wirklich interessant. Und der Standard ist ziemlich hoch. Meistens jedenfalls.«
»Tja, Emma, eigentlich rufe ich nur an, um dir zu sagen, dass ich den Kurs zwar liebend gern übernehmen würde, aber für einige Zeit in die Staaten muss. Wie lange? Das weiß ich noch nicht genau, aber sicher ein paar Wochen. Tut mir wirklich Leid. Ich hätte den Kurs sonst wirklich gern übernommen. Ja, es ist schade, dass mir diese einmalige Gelegenheit entgeht. Ob ich zum Essen aus war? Wie hast du das erraten? Ja, ganz bestimmt rufe ich dich an, sobald ich aus den Staaten zurück bin. Du weißt doch, guten Freunden helfe ich immer gern.«
Einen Moment lang starrte sie den Telefonhörer an. War das etwa übertrieben gewesen? Wie viel Zeit opferte sie tatsächlich für ihre Freunde? Sie war wirklich auf dem besten Weg, eine egozentrische Kuh zu werden.
»Ich verspreche dir, wenn ich aus Kalifornien zurück bin, stehe ich dir zur Seite«, fügte sie hinzu, um sich ein bisschen besser zu fühlen.
»Wir könnten doch schon einmal ein Datum festlegen, damit wir es nicht vergessen«, sagte Emma rasch.
Jetzt konnte sie nicht mehr entkommen, stellte Kate innerlich seufzend fest und blätterte in ihrem Kalender.
Nach dem Telefonat ließ sie sich in der Küche ein großes Glas kaltes Wasser einlaufen, trank es und ging nach oben ins Bett.
Am Sonntagnachmittag räkelte sich Kate auf dem Sofa und trank Tee. Die Sonntagszeitung war rings um die Couch auf dem Boden verstreut, und Kate tat so, als läse sie die Wochenendbeilage. Aus der Stereoanlage klangen hübsche Melodien aus den späten sechziger Jahren. Sogar die Nachbarn waren ausnahmsweise leise. Es war das erste Mal in dieser Woche, dass Kate sich entspannen konnte. Am Montag würde es wieder ziemlich hektisch werden, denn sie musste so viel am Computer vorarbeiten, dass sie sich ein paar Wochen Ferien leisten konnte. Anschließend würde sie ein paar Klamotten in den Koffer werfen und nach Kalifornien abdüsen.
Es klingelte.
»Hey«, sagte die Gestalt auf der Türschwelle, »haben Sie unsere Verabredung vergessen?«
»Nein, Harley«, schwindelte Kate. Sie pfefferte die Wochenendbeilage hinter sich auf den Boden, fuhr sich mit den Fingern durch das Haar und riss ihre Augen ganz weit auf, damit sie verstanden, dass sie jetzt offen zu bleiben hätten. Mit nackten Füßen schlüpfte sie in ein Paar gerade verfügbarer Schuhe und folgte Harley auf die Straße.
Draußen warteten zwei seiner Freunde. Vermutlich waren es Darren und Dossa. Sie trugen Baseballstiefel und Jacken mit den gerade angesagten Stickern.
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