Letzte Ausfahrt Oxford
sicher.
»Ich glaube, Kate, du bekommst gerade wieder einen Anfall dieser Krankheit, die man Allmächtiges Schriftstellersyndrom nennen könnte.«
»So ein Quatsch! Würdest du mir bitte ein wenig Senf besorgen?«
»Aber sicher.« Andrew verstand sich geradezu meisterhaft darauf, die Aufmerksamkeit einer vorübergehenden Kellnerin auf sich zu lenken. »Bist du nun zufrieden? Gut.«
»Und zeige mir bitte noch einmal diese Postkarte, ehe ich dich mit meinem Steakmesser niedersteche.«
»Schade, dass unsere liebe Jenna eine so große Schrift hatte«, grummelte Andrew, »sonst hätten wir jetzt vielleicht ein Problem weniger.«
»Wer zum Teufel ist Iz? Doch nicht etwa …«
»Doch. Du hast Isabel ja schon kennen gelernt.«
»Stimmt, wenn ich es recht überlege, hat sie sogar ihre Freundin Jenna erwähnt. Warum hast du mir nicht früher von dieser Postkarte erzählt?«
»Isabel bewahrte sie auf dem Kaminsims in ihrem – na ja, nicht im Wohnzimmer auf«, druckste Andrew. »Ihr war nicht klar, dass sie für uns von Bedeutung sein könnte. Erst, als ich sie sah und mir der Name Jenna auffiel, der ja nicht gerade häufig ist, fragte ich sie danach.«
»Hat Jenna nach ihrer Rückkehr je mit ihr darüber geredet? Hast du danach gefragt, dort in ihrem, hm, nicht in ihrem Wohnzimmer?«
»Sei nicht so vulgär, Kate. Aus deinem Mund hört es sich geradezu eifersüchtig an, und das passt überhaupt nicht zu dir. Aber um deine Frage zu beantworten: Leider war Isabel nach Jennas Rückkehr gerade selbst in Urlaub gefahren. Bestimmt hätten sie sich sonst getroffen und noch einmal über alles geredet. Aber im Mai wurde Jenna getötet.«
»Glaubst du immer noch, dass das alles purer Zufall war?«
»Sicher. Ich hätte dich nie auf ihre Fährte gesetzt, wenn ich darin irgendeine Gefahr sähe. Ich glaube, Jenna fuhr zu diesem Wochenende mit ihren christlichen Volksmusikfreunden – Gott sei Dank hat sich Isabel nie für so etwas interessiert –, verpasste ihren Zug, ließ sich von einem Sexualstraftäter im Auto mitnehmen und wurde umgebracht.«
»Paul ist sich dessen nicht so sicher.«
»Paul? Dein kleiner Detective Sergeant? Ich glaube kaum, dass er irgendetwas weiß.«
»Pass auf, Andrew! Jetzt klingst du nämlich eifersüchtig. Das wäre doch gar nicht deine Art, oder?«
»Hör zu, Kate, wir sprechen hier über Computerkriminalität. Über ein nettes, sauberes Mittelklasseverbrechen. Über wohl erzogene Männer, die sicher nicht herumlaufen und junge Mädchen mit Strumpfhosen erdrosseln.«
»Davon bin ich gar nicht so überzeugt. Du solltest dir die Leute einmal ansehen, die ich in den letzten beiden Wochen kennen gelernt habe.«
»Jetzt hör endlich auf, meine vortrefflichen Kollegen aus der Bodleian Bibliothek zu beleidigen, und versprich mir, nicht nach Kalifornien zu fahren.«
»Ehrlich gesagt wollte ich immer schon einmal nach Kalifornien. Vor allen Dingen nach San Francisco. Also werde ich reisen, sobald ich einen Flug bekomme.«
»Nun, wenn du sowieso fährst, solltest du dir einen Wagen mieten und eine Stippvisite in Santa Luisa machen.«
»Ist das weit?«
»Ungefähr fünfzig Meilen, glaube ich. In San Francisco könntest du bei Freunden von mir wohnen. Sie haben ein tolles Haus über der Bucht, und sie schulden mir noch einen kleinen Gefallen.«
»Warum misstraue ich deiner Kooperation noch mehr als deiner Zustimmung?«
»Warum benutzt du einem einfachen Mann gegenüber derart komplizierte Wörter?«
»Lass mich noch einen Blick auf diese Postkarte werfen.« Kate nahm die Karte und drehte sie um. Sie zeigte das Bild eines mit purpurfarbenen Bougainvilleen bewachsenen Hauses im spanischen Stil. Geranien und Hibiskus wucherten in Terrakottakübeln, und der Himmel war von einem geradezu überwältigenden Blau. Welcome to Santa Luisa , verkündete ein Schriftzug in der Ecke des Bildes.
»Eine solche Karte habe ich schon einmal gesehen«, sagte sie.
»Vermutlich hat Jenna all ihren Freundinnen eine geschrieben. Außerdem ist sie sicher nicht die Einzige, die schon einmal dort war. Auch das kann ein Zufall sein.«
»Wahrscheinlich hast du Recht. Weiß Isabel mehr über Jenna? Nach allem, was ich bisher über sie erfahren habe, kann ich mir kaum vorstellen, dass sie und Isabel viele Gemeinsamkeiten hatten.«
»Ich glaube nicht, dass sie irgendetwas Wichtiges weiß. Außerdem möchte ich nicht, dass du sie ärgerst oder gemein zu ihr bist.« Er warf Kate einen ängstlichen Blick zu.
»Schon gut,
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