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Letzte Ausfahrt Oxford

Letzte Ausfahrt Oxford

Titel: Letzte Ausfahrt Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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bin ich ganz und gar nicht überzeugt –, dann müsste sie der Teil des Menschen sein, der in den Himmel fliegt. Oder in die Hölle. Aber Jennas Seele ist hier geblieben und klebt wie ein Spinnennetz an meinen Fingern. Und so sehr ich mich auch bemühe, mich von den silbrigen Fäden zu befreien, sie bleiben an mir haften. Unbeweglich und unveränderlich. Ich habe versucht, meine Geschichte zu erzählen, aber es ist ihre Geschichte geworden. Und sie sind miteinander so eng verbunden wie das Netz der Spinne mit dem Pfingstrosenstrauch.
    Jetzt trage ich beide mit mir herum wie unsichtbare Komplizen: John Exton und Jenna Coates.
     
    Als ich heute Morgen zur Arbeit ging, war eine Fremde im Haus. Ich sah sie durch die Tür in den strahlenden Sonnenschein treten. Sie zeichnete sich gegen das Tageslicht ab: eine schlanke Gestalt, mittelgroß und mit so blondem Haar, dass es fast transparent wirkte. Es stand vom Kopf ab wie bei einem kleinen Jungen und glänzte in der Sonne wie blasses Gold. Ich weiß nicht, wer sie ist. Sie trat aus der Tür, wandte sich nach links und ging Richtung Oxford. Ihr Gang und ihre Haltung waren die einer Frau, die weiß, was sie vom Leben zu erwarten hat. Sie benahm sich, als gehöre sie hierher. Wer ist sie? Was tut sie hier?
     
    Ich habe sie wiedergesehen. Heute Morgen trug sie einen dunkelblauen Rock, der für meinen Geschmack ein wenig zu kurz war, und einen Leinenblazer in einem tiefgoldenen Ton. Auch ihr Gesicht habe ich gesehen. Sie hat runde, graue Augen, die mit einer mir unverständlichen Heiterkeit ins Leben blicken, dunkle, dichte Augenbrauen, eine schmale Nase mit einem angedeuteten Höcker und einen entschlossenen Mund. Ihr Haar ist immer noch so widerspenstig, als wäre sie gerade erst aufgestanden. Guter Muskeltonus. Sie sähe hübscher aus, wenn sie ihr Haar wachsen ließe und sich etwas schminken würde. Ich liebe es, wenn Frauen etwas aus sich machen. Um ihren Hals hatte sie einen langen, dünnen Schal aus chiffonartigem Stoff geschlungen, und als sie sich abwandte, sah ich, dass ein Ende des Schals auf ihren Rücken hinunterfiel. Welch eine Versuchung!
     
    Heute ging ich zu Harry, um mit ihm über eine anstehende, geschäftliche Transaktion zu sprechen. Sie war ebenfalls da. Wer ist sie , und was tut sie hier? Ich sprach nicht mit Harry darüber, denn seine Nerven sind nicht so gut wie meine. Wenn einer von uns in Panik gerät, sind wir alle verloren. Aber wir müssen durchhalten, schließlich haben wir Geschäftsverbindungen. Ich vermute, jemand hat bemerkt, dass das eine oder andere Buch fehlt, doch wir haben nicht die geringste Spur hinterlassen, und es gibt keinen Beweis. Daran sollte ich immer denken.
    Wenn ich sie morgen wieder sehen sollte, werde ich versuchen, mit ihr zu sprechen und herauszufinden, was sie hier macht.
    Heute Morgen habe ich sie endlich kennen gelernt. Ich sah, wie ihr Mund lächelte und redete, während ihre Augen mich so kühl taxierten, als wäre ich ein toter Fisch auf der Marmorplatte des Fischhändlers. Nie habe ich Augen von solchem Grau gesehen; sie sehen aus wie ein weicher Kohlestrich auf weißem, strukturiertem Papier. Nicht der geringste Schimmer von Blau oder Grün beeinträchtigt die Farbe. Sie erinnern mich an den Rauch brennenden Holzes.
     
    Man erzählt sich, sie sei Schriftstellerin und widme sich nur für eine bestimmte Zeit der Arbeit, von Bibliothek zu Bibliothek zu gehen und zu entscheiden, wie umfangreich sich die jeweilige Nacherfassung der Kartenkataloge in den Computer gestalten würde. Eine äußerst nützliche Frau. Sie wird uns unsere Aufgabe erheblich erleichtern, und möglicherweise versetzt sie uns in die Lage, schneller zu expandieren, als wir es uns erhofft hatten.
    Andererseits verabscheue ich ihre Art, viele Fragen zu stellen. Manchmal fragt sie auch nach Jenna. Und wenn sie wirklich nur eine einfache Erfasserin ist, was hat sie dann mit Andrew Grove zu schaffen? Schließlich ist er ein hohes Tier in der Bodleian Bibliothek und zudem Mitglied des Sicherheitsteams der Bibliotheken.
9. KAPITEL
    H allo, Kate, hier ist Andrew.«
    Er klang ungewöhnlich förmlich und lud sie weder ins Weinlokal noch ins Pub ein. In der Woche zuvor hatten sie sich getroffen und über Kates Kalifornienreise gesprochen. Andrew hatte sich von ihren Entdeckungen weniger beeindruckt gezeigt, als sie gehofft hatte. »Charles hat sich nach dem letzten Bericht, den ich ihm weitergeleitet habe, ein ganz klein wenig besorgt gezeigt. Er möchte

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