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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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dass, allem Anschein nach, nur der hintere Scheinwerfer und ein paar Karosserieteile etwas abbekommen hatten. Der Kotflügel allerdings hatte sich mit dem Rad verkeilt, sodass sie mit diesem Auto hier nicht mehr wegkommen würden. Gasperlmaier ließ seine Blicke in Richtung Pötschenstraße schweifen. Von dem schwarzen Auto war keine Spur zu sehen. Dessen Lenker hatte offenbar mehr Glück gehabt und weiterfahren können. Gasperlmaier fragte sich, was er in dem Steinbruch zu schaffen gehabt hatte und wieso er, ohne zu bremsen, auf sie zugeschossen war.
    Die Frau Doktor war immer noch nicht ausgestiegen. Gasperlmaier ging nach vorne und öffnete die Fahrertür. Sie war gerade dabei, mit einem Taschentuch vorsichtig ihre Tränen abzuwischen. „Ist nicht so schlimm, wie es sich angehört hat“, sagte er. „Geht es Ihnen eh gut?“ Die Frau Doktor zuckte nur mit den Schultern. „Das kann man sicher wieder ausbiegen“, fügte er noch tröstend hinzu. „Ausbiegen!“, fauchte sie ihn so scharf an, dass er zurückwich. „Ich fahre doch nicht mit einem Kübel he­rum, an dem Teile ausgebogen und notdürftig überpinselt worden sind! Was glauben Sie denn! Ausbiegen! Dass ich nicht lache!“ Das mit dem Trösten, dachte Gasperlmaier, war gründlich danebengegangen. Da musste er noch üben.
    „Wo bloß der Manzenreiter ist?“, fragte Gasperlmaier, denn schön langsam begann er sich Gedanken zu machen, warum der nicht auftauchte. „Richtig. Der Manzenreiter.“ Die Frau Doktor warf ihr Taschentuch in den Fußraum und stieg aus. Missmutig besah sie sich den Schaden. „Mist!“ Sie trat mit dem Fuß gegen den beschädigten Kotflügel, der knirschte und schepperte. „Nicht!“, meinte Gasperlmaier. „Da werden die Schuhe auch noch hin!“ Die Frau Doktor lächelte ein klein wenig. „Sie haben ja recht. Glauben Sie, dass der Manzenreiter da hinten im Steinbruch steht?“ Gasperlmaier sah auf die Uhr. „Wenn er nicht extrem langsam gefahren ist, müsste er schon da sein.“
    Die Frau Doktor zog ihr Handy aus der Hand­tasche. „Ja, eine Fahrzeugfahndung. Schwarz, VW Golf. Älteres Baujahr, Dreier oder Vierer. Kenn­zeichen, Gasperl­maier?“ Der zuckte mit den Schultern. Ihm war so gewesen, als habe das Auto überhaupt kein Kennzeichen gehabt. Jedenfalls hatte er keines lesen können, bevor er die Hände vor die Augen geschlagen hatte. „Kennzeichen unbekannt. Vorne links müsste der Wagen beschädigt sein, wahrscheinlich auch der Scheinwerfer.“ Die Frau Doktor scharrte mit dem Fuß im Schotter herum und hob dann einen weißen Splitter auf, der, so fand Gasperlmaier, nicht zur Heckleuchte des Audi gehören konnte. „Vom Pötschenpass hinunter, welche Richtung, wissen wir nicht. Ja.“ Sie legte auf und steckte ihr Handy weg. „Hoffentlich erwischen sie den! Kommen Sie, Gasperlmaier!“ Sie machte sich mit energischen Schritten dorthin auf, wo der Golf hergekommen war.
    Es dauerte nicht mehr als eine halbe Minute, bis der Hendlwagen des Manzenreiter Sepp in Sicht kam. Er stand, so wie die Frau Doktor es dem Sepp geraten hatte, mit der Frontseite ihnen zugewandt. Die Fahrertür war offen. Gasperlmaier sah den Sepp mit aufgerissenen Augen am Lenkrad sitzen. Irgendwas schien mit ihm nicht zu stimmen, so seltsam verkrümmt lehnte er in seinem Sitz. Gasperlmaier befürchtete das Schlimmste. „Ach du Scheiße!“, fluchte die Frau Doktor. Jetzt konnte es auch Gasperlmaier sehen, der seine Schritte unwillkürlich verlangsamt hatte. Die Windschutzscheibe war voller Blutspritzer.
    Als die Frau Doktor die Fahrertür erreicht hatte, schrie sie auf. Gasperlmaier blieb stehen. Mit weit aufgerissenen Augen stolperte die Frau Doktor wieder auf ihn zu, umarmte ihn und legte den Kopf auf seine Schulter. „So entsetzlich!“, murmelte sie. Gasperlmaier blieb gar nichts anderes übrig, als die Hände auf ihren Rücken zu legen und beruhigend darüberzustreichen. Hoffentlich würde ihn niemand so sehen.
    „Hallo! Braucht’s ihr Hilfe?“, schrie jemand von hinten. Die Frau Doktor fuhr hoch. Gasperlmaier drehte sich um. Ein hagerer, weißhaariger Mountainbiker stand wenige Meter hinter ihm. „Habt’s ihr den Unfall gehabt? Kann ich was tun?“, fragte er. Die Frau Doktor hatte sich wieder gefangen und zeigte dem Mann ihren Polizeiausweis. „Kohlross, Bezirkspolizeikommando Liezen.“ Ihre Stimme war wieder so fest und selbst­sicher, wie Gasperlmaier es von ihr gewohnt war. Der Anblick, der sich ihr im Auto des Sepp geboten

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