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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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gut. „Lassen Sie einmal sehen!“ Das rote Raddress legte ihm einen Arm um die Schulter und beugte sich hinter seinen Kopf. „Oh je! Das sieht aber gar nicht gut aus. Eine Riesenbeule!“ Vorsichtig tupfte sie mit einem Finger dagegen, worauf Gasperlmaier neuerlich von einem Schmerzblitz durchzuckt wurde. Die Brüste der Kollegin lagen nun direkt an seinem Gesicht. Alles war gut.
    „Manuela, übrigens!“ Das rote Raddress richtete sich auf. „Wo sind Sie denn dagegengerannt? Mit dem Hinterkopf?“ Gasperlmaier schüttelte den Kopf. „Nirgends dagegengerannt!“, sagte er. „Aber was genau passiert ist, daran kann ich mich nicht erinnern.“ „Versuchen Sie doch einmal aufzustehen!“
    Jetzt war nichts mehr gut. Gasperlmaier probierte zuerst, ob sich sein lädiertes Knie bewegen ließ. Ein kleiner, dumpfer Schmerz. Mehr nicht. Vorsichtig stemmte er sich in die Höhe, darauf bedacht, nur das rechte Knie zu belasten. Er belastete das linke Knie, es hielt. Er ging ein paar Schritte, das Knie tat nicht weh. Nur mehr Kopfschmerz. „Hoppla!“ Manuela grinste und zog den Reißverschluss zu. „Da habe ich Sie wohl jetzt unnötig aufgeregt!“ „Geht schon!“ Gasperlmaier versuchte, sich tapfer zu geben, wandte sich um und stieg vorsichtig bergauf. Manuela kam hinter ihm her. „Der Angreifer ist weg!“, informierte sie ihn. „Die Kohlross hat auf ihn geschossen. Ob sie getroffen hat, wissen wir nicht, vermutlich nicht. Sie ist schon wieder oben.“
    Obwohl er es recht respektlos fand, dass die Manuela die Frau Doktor einfach als „die Kohlross“ bezeichnete, fiel Gasperlmaier doch ein Stein vom Herzen. Sie hatte das Abenteuer wenigstens unverletzt überstanden, wenn auch der Täter geflüchtet war. Von dem sie immer noch nicht mit Sicherheit wussten, ob es der Loisl war oder doch ein anderer. Gasperlmaiers Schädel brummte immer noch, wohl von der zusätzlichen Anstrengung des Bergaufsteigens. Immer wieder erfassten ihn kurze Schwindelanfälle, manchmal wellte sich die Landschaft auch eigenartig vor seinen Augen. So, als stiege irgendwo heiße Luft auf. Heiß war es aber beileibe nicht. Trotz der Anstrengung fror Gasperlmaier mittlerweile in seiner klatschnassen, zerrissenen Uniform. Die Manuela stieg hinter ihm drein und fragte gelegentlich „Geht’s Ihnen eh gut?“. Es war ja noch ein Glück gewesen, dachte Gasperlmaier bei sich, dass sie ihn gefunden hatte. Hätte ihn der Friedrich mitten im Wald aufgelesen, wäre das kein so erfreulicher Anblick gewesen. Aber auf das, was „noch ein Glück“ war, war ohnehin gepfiffen. Wenn es noch weit war, würde er schlappmachen. Wie konnte es möglich sein, dass er sich in wenigen Minuten so weit von der Ruine entfernt hatte?
    Endlich lichtete sich der Wald, und nach ein paar dutzend Metern durch Gestrüpp und Dornen stand Gasperlmaier keuchend wieder auf der ebenen Fläche vor der Ruine Pflindsberg. „Gasperlmaier!“ Die Frau Doktor kam auf ihn zu. „Wie schauen Sie denn aus?“ Gasperlmaier blickte an sich hinunter. Er sah tatsächlich zum Fürchten aus. Über und über voll Erde und Dreck, durch und durch nass, die Hose in Fetzen. Eine Polizistin kam mit einer Decke auf ihn zu und legte sie ihm um die Schultern. Jetzt erst nahm er wahr, dass auch die Frau Doktor eine Decke umhatte. „Er war bewusstlos, als ich ihn gefunden hab!“ Die Manuela schüttelte der Frau Doktor die Hand. „Gruppeninspektorin Manuela Reitmair.“ Zuerst „die Kohlross“, und jetzt so förmlich, dachte Gasperlmaier bei sich. Die Frau Doktor nahm ihn an der Schulter. „Wir haben auch Tee!“
    Wenig später saß Gasperlmaier mit der Frau Doktor auf einer der Bänke unter der Aussichtsplattform. Vor ihnen standen zwei dampfende Pappbecher. Am ersten Schluck hatte sich Gasperlmaier fast den Mund verbrannt, darum ließ er den Becher jetzt vor sich stehen und starrte versonnen auf die Dampfsäule, die immer wieder vom Wind erfasst und verblasen wurde. „Dass die Familie da auftaucht“, sagte die Frau Doktor, „das war natürlich nicht einkalkuliert. Ich weiß gar nicht, woher die gekommen sind. Eigentlich hätten unsere Leute die ja sehen müssen.“ Gasperlmaier verzichtete darauf, der Frau Doktor auseinanderzusetzen, dass sie selbst die Anweisung gegeben hatte, niemanden aufzuhalten. Und sowohl ihr Handy als auch ihr Funkgerät hatte sie natürlich abgeschaltet, als sie sich zusammen auf die Lauer gelegt hatten, um die Ankunft des Täters abzuwarten. Ein Regiefehler,

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