Letzte Bootsfahrt
Waschlappen und begann vorsichtig, Gasperlmaiers Gesicht abzuwaschen. Wenigstens eine, die sich wirklich um einen kümmert, wenn man es braucht, dachte Gasperlmaier bei sich.
Als die Christine zur Beule kam, zuckte Gasperlmaier zusammen. „Das sieht übel aus“, sagte die Christine. „Da sind sogar Holzsplitter“. Noch immer fragte sie ihn nicht nach den Geschehnissen des heutigen Vormittages. Als sie aber mit liebevollen Streichelbewegungen seinen Rücken einseifte, da begann Gasperlmaier zu reden. Keinen Moment dachte er daran, dass er vieles von dem, was er der Christine erzählte, auf keinen Fall an Außenstehende weitergeben hätte dürfen. „Wer hat dich denn eigentlich wieder zusammengeklaubt?“, unterbrach ihn die Christine plötzlich, der solche Lücken natürlich nicht entgingen. Und vom roten Raddress der Gruppeninspektorin Manuela Reitmair hatte Gasperlmaier natürlich nichts erzählt. „Eine von der Einsatzgruppe halt“, antwortete er deswegen möglichst unpräzise. „Wir haben ja heute praktisch einen Großeinsatz gehabt, da waren viele Kollegen da, die ich gar nicht näher kenne.“ Wider Erwarten gab sich die Christine mit dieser Auskunft zufrieden.
Als sie ihn fürsorglich abtrocknete, wurde Gasperlmaier plötzlich so warm ums Herz, dass er sie an sich drückte und ihr Gesicht suchte, um sie zu küssen. Schon hatte er seine Hände fest um ihr Hinterteil geschlossen, als sie sich losriss. „Nein, nein, mein Lieber!“, grinste sie. „Du hast gerade eine auf den Kopf bekommen! Da musst du dich schonen!“ Wenig später lag Gasperlmaier auf dem Sofa im Wohnzimmer. Die Fernbedienung hatte ihm die Christine noch in die Hand gedrückt, bevor sie in der Küche verschwunden war. „Fernsehen darfst du“, hatte sie gemeint, „da hält man sich ruhig und schaut immer in die gleiche Richtung, das tut deinem durchgeschüttelten Kopf gut.“ Gasperlmaier aber konnte sich auf die Sendung nicht konzentrieren. Jetzt, wo er im stillen Wohnzimmer einfach so dalag, konnte er noch viel mehr spüren, wie es in seinem Kopf pochte und rumorte. Hoffentlich hatte er nicht doch eine Gehirnblutung erlitten, wie die Frau Doktor es in den Raum gestellt hatte. Jederzeit, hatte sie gemeint, könne so eine Gehirnblutung bis zu sechzehn Stunden nach so einem Schlag auf den Kopf eintreten. Man müsse wachsam sein. Vielleicht hätte er doch ins Krankenhaus fahren sollen. Im Fernsehen hetzte gerade eine Kommissarin aus dem Tirolerischen im Geländewagen einem Flüchtigen hinterher. Ausgesprochen realitätsnah, wie Gasperlmaier fand. Die Kommissarin war bei weitem nicht so attraktiv wie die Frau Doktor. Und der uniformierte Beamte, der bekam bloß immer Befehle und musste umständliche Nachforschungen anstellen. In den spannenden Szenen kam er nicht vor, was Gasperlmaier ein wenig wurmte.
„Hallo, Papa! Was machst du denn schon zu Hause?“ Die Katharina schnappte sich die Fernbedienung, ohne eine Antwort abzuwarten. „Das hast eh schon einmal gesehen, oder?“ Sie schaltete auf einen Privatsender um, auf dem eine Serie lief, die Gasperlmaier nie gemocht hatte. Eine amerikanische Familie mit drei oder vier völlig missratenen Söhnen befand sich im Dauerstreit, die magere Mutter schrie die meiste Zeit. So viel Unfrieden und Lärm schlug Gasperlmaier gewöhnlich auf den Magen, er sah nicht ein, wozu man sich so etwas ansehen sollte. Zudem fand er das Verhalten der Katharina ziemlich unverschämt. Vor allem in Anbetracht dessen, was sie sich gestern erst geleistet hatte. Er nahm einen Schluck von dem Tee, den ihm die Christine hingestellt hatte. Ein Bier wäre ihm lieber gewesen, aber das wollte er sich fürs Essen aufsparen, um sich nicht wieder Vorwürfen auszusetzen.
„Pfüat euch!“ Ohne weitere Erklärungen verschwand die Katharina schon wieder, und Gasperlmaier hörte nur noch die Haustür zufallen. Die Fernbedienung hatte sie natürlich außer Reichweite liegen gelassen. Warum sie, wegen der zwanzig Sekunden, die sie der Sendung gefolgt war, überhaupt umschalten hatte müssen, war Gasperlmaier ein Rätsel. Irgendwas mussten er und die Christine bei der Erziehung falsch gemacht haben. Obwohl, so fand er, für Mädchen doch eher die Christine zuständig war, denn die kannte sich da aus.
Aus der Küche drangen verführerische Düfte zu ihm herüber. „Was machst denn?“, rief er, doch die Christine antwortete nicht. Wahrscheinlich waren das Zischen in den Pfannen auf dem Herd und das Brausen des Dunstabzugs zu
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