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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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verdrehte die Augen. „Lassen Sie sich von denen nur nicht täuschen!“, meinte sie noch. „In geschäftlichen Angelegenheiten sind solche Sekten oft knallhart, auch wenn sie noch so entrückt tun. Also Achtung!“ Gasperlmaier nahm sich vor, auf keinen Fall auf salbungsvolles Gerede hereinzufallen, sondern wachsam zu bleiben.
    Gasperlmaier sah sich um. Neben der Tür, durch die sie hereingetreten waren, hingen mehrere gerahmte Plakate. „Der erleuchtete Kreis Avalon weist dem Wanderer den Weg des Wohlgefühls durch den Dschungel des Lebens“, las er auf einem. Hinter dem Text konnte man verschwommen ein Frauengesicht wahrnehmen, das dem Betrachter tief in die Augen blickte. Die Frau trug dreiarmige Ohrgehänge, die an den Enden verschlungen waren und wahrscheinlich irgendwelche Symbole darstellten, mutmaßte Gasperlmaier. Dann wurde er durch ein sanftes „Willkommen im Zuhause des erleuchteten Kreises Avalon!“ aus seinen Gedanken gerissen. Eine ältere, weißhaarige Frau war hinter dem Kamin hervorgetreten. Sie bewegte sich langsam, entrückt und geradezu engelhaft. „Was führt Sie zu uns?“ Sie ließ sich auf einem der bunten Teppiche in der Mitte des Raumes nieder und forderte Gasperlmaier und die Frau Doktor mit einer Handbewegung auf, es ihr gleichzutun. So hockten sie sich also hin.
    Die Frau Doktor, war sich Gasperlmaier sicher, würde bald die Geduld verlieren. Es war ihre Sache nicht, von irgendwelchen Gestalten lange an der Nase herumgeführt zu werden, bevor sie handfeste Auskünfte bekam. „Wir sind in einer Mordermittlung hier und benötigen Informationen über Frau Gerlinde Breitwieser. Ihr Mann ist gestern ermordet worden, und sie hat in Ihren Kreisen verkehrt, wie wir von Zeugen wissen. Ebenso wissen wir, dass Ihre ehrenwerte Gemeinschaft nicht ungern auf das Vermögen zahlungskräftiger Mitglieder zugreift.“ „Nun!“, lächelte die Weißhaarige sanft. Gasperlmaiers Füße begannen zu schmerzen. Im Schneidersitz zu verharren, hatte er gleich aufgegeben, und sich auf den Ellenbogen hinzulümmeln traute er sich nicht. „Wie Sie bereits wissen, leben wir hier nicht unter unseren bürgerlichen Namen …“
    Die Frau Doktor unterbrach sie und stand wieder auf. „Sparen Sie sich Ihr Gequatsche, liebe erleuchtete Meisterin. Sie wissen sehr wohl, von wem ich spreche, und auch für uns wird es ein Leichtes sein, Ihre unerleuchteten Personalien festzustellen, wenn wir einmal mit einem Durchsuchungsbefehl hier sind. Und nun stehlen Sie mir nicht weiter meine Zeit.“ Gasperlmaier kam sich jetzt blöd vor und erhob sich ebenfalls.
    Die erleuchtete Meisterin allerdings erwies sich als harte Nuss. Sie behielt ihr sanftes Lächeln ebenso wie ihren Schneidersitz bei und blieb entspannt sitzen. „Nun!“, wiederholte sie, während die Frau Doktor bereits ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden zu tippen begann. „Frau Breitwieser, wie Sie sie nennen, ist tatsächlich eine Angehörige unseres erleuchteten Kreises. Sie hat mehrere Seminarwochenenden bei uns verbracht, konnte sich allerdings nicht dazu entschließen, ganz in unserem Kreis zu verbleiben. Es ist ihr noch nicht gelungen, die Abhängigkeiten von ihren irdischen Verwandten und ihrem Besitz zu lösen.“ „Ja“, sagte die Frau Doktor, „und da können wir uns gut vorstellen, dass jemand von Ihnen dabei nachgeholfen hat, sie von ihren irdischen Abhängigkeiten abzulösen. Indem man ihr zum Beispiel zu einem großen Erbe verhilft und dieses dann dem erleuchteten Kreis einverleibt.“
    Die erleuchtete Meisterin erhob sich nun ebenfalls. „Sie scheinen nicht zu verstehen“, sagte sie, ohne ihre sanfte Stimme auch nur im Geringsten anzuheben. „Uns geht es nicht um irdische Güter. Uns geht es darum, dass unsere Seelen wachsen, lachen, lieben und freudig leben lernen.“ Sie wandte sich mit vor der Brust gefalteten Händen ab und sah zum Fenster hinaus. Gasperlmaier folgte ihrem Blick und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Draußen breitete sich eine Wiese aus, auf der sieben oder acht nackte Menschen in einem Kreis standen und ihre Arme zum Himmel reckten. Im Haar trugen sie Blumenkränze. Gasperlmaier entging nicht, dass Junge wie Ältere, Männer wie Frauen hier gemischt ihre Seelen wachsen ließen. Ihm selbst wäre es zu kalt gewesen, bei diesem Wetter. Dass es nicht die Jahreszeit dafür war, sich unbekleidet im Freien aufzuhalten, konnte man einigen der Erleuchteten auch durchaus ansehen.
    „Gasperlmaier!“ Der Frau Doktor waren

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