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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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ließ, wie es ihm oft passierte, seinen Satz versickern. Die Frau Doktor zuckte mit den Schultern. „Ich weiß eigentlich nicht“, meinte sie. „Ich hab mir vorgenommen, das Leben etwas gelassener anzugehen und weniger zu hetzen. Schließlich haben auch Kriminalbeamte das Recht auf eine Mittagspause. Und mittlerweile glaub ich auch, dass uns das Hetzen, vor allem in diesem Fall, gar nicht wirklich weiterbringt.“ Gasperlmaier nahm einen tiefen Schluck. Nicht ohne daran zu denken, dass man als Exekutivorgan stets auf der Hut vor der Presse sein musste, die keine Gelegenheit ausließ, die Polizei dumm dastehen zu lassen. Bei einem Fall in der Vergangenheit hatte Gasperlmaier ausgiebig Gelegenheit gehabt, darin Erfahrungen zu sammeln.
    Gerade, als das Essen gebracht wurde und Gasperlmaier daran ging, Semmelstücke im Gulaschsaft einzuweichen, läutete das Handy der Frau Doktor. Als sie es aus ihrer Handtasche fischte, stellte er fest, dass sie jetzt so ein neumodisches Gerät besaß, auf dem man mit den Fingern herumwischte, anstatt Tasten zu drücken. Seine Kinder fanden Gasperlmaier unmöglich, weil er immer noch ein altes Klapphandy besaß. Die Christine hingegen hatte sich auch so ein Ding be­sorgt. „Damit ich“, hatte sie gesagt, „wenigstens weiß, wie man es abschalten kann, wenn die Kinder in der Schule damit herumspielen.“ Die Frau Doktor wischte nun ebenfalls mit dem Finger über die Oberfläche, um das Gerät mit hochgezogenen Augenbrauen gleich wieder vom Ohr zu nehmen und den Bildschirm anzustarren. „Verdammtes Ding!“, schimpfte sie, während das Handy lautstark weiterhin irgendeine orientalisch klingende Melodie vor sich hin dudelte. Anscheinend, so schien es Gasperlmaier, hatte die allermodernste Technik doch ihre Tücken. Endlich war es der Frau Doktor, nach ausgiebigem Herumwischen auf dem Display und dem Drücken verschiedener Tasten an der Seite des Geräts, gelungen, eine Verbindung herzustellen. „Ja? Ach, Frau Schnabel, Sie sind es! Was gibt es denn?“ Gasperlmaier horchte auf. Wenn die Frau Schnabel, die Tochter des Mordopfers, anrief, dann musste es eine neue Entwicklung in ihrem Fall geben. Was die Frau Schnabel sagte, konnte er nicht verstehen. Sie sprach zu leise, und zudem war das Handy zur Gänze hinter einem Vorhang kastanienbrauner Haare mit orangeroten Strähnen verschwunden, die Gasperlmaier fasziniert musterte. Er vergaß darüber fast auf sein Gulasch. Aber nur fast, denn als die Frau Doktor ihr Gespräch beendete, hatte er schon wieder den Mund voll.
    „Die Frau Schnabel“, klärte ihn die Frau Doktor auf, „hat einen ziemlich seltsamen Besuch gehabt. Ein Kunde, den offenbar ihr Vater betreut hat, hat in der Kanzlei randaliert, sodass sie kurz davor war, uns zu rufen, noch während er da war. Er hat behauptet, dem Herrn Breitwieser eine größere Summe für das Besorgen einer Baugenehmigung übergeben zu haben. Und jetzt wollte er wissen, was mit dem Geld und der Baugenehmigung ist. Die Frau Schnabel behauptet, von alldem nichts zu wissen. In der Kanzlei gebe es keine Aufzeichnungen darüber, sie selber hat den Kunden nie betreut. Sagt sie.“
    Gasperlmaier wischte den Rest des Gulaschsaftes sorgfältig mit dem letzten Stück seiner Semmel auf, während die Frau Doktor noch an ihren vegetarischen Teigtaschen kaute. Gasperlmaier fiel auf, dass sie die Beine übereinandergeschlagen hatte. Dass Frauen in dieser Haltung essen konnten, überraschte ihn immer wieder, auch seine Christine hatte diese Angewohnheit. Ihm selbst, so dachte er bei sich, würde bei dieser verkrampften Haltung jeder Appetit vergehen. Vielleicht aber war das ja auch Taktik. Man setzte sich möglichst unbequem hin, eben damit einem gründlich der Appetit verdorben wurde. „Natürlich ist klar“, sagte die Frau Doktor, nachdem sie einen Schluck von ihrem Johannisbeersaft genommen hatte, „dass wir jetzt zuerst einmal diesen aggressiven Kunden besuchen, von dem uns die Frau Schnabel erzählt hat. Dann wissen wir gleich mehr über die unsauberen Immobiliengeschäfte des Herrn Breitwieser.“
    Als sie sich auf dem Weg nach Aussee befanden, telefonierte die Frau Doktor wieder einmal in ihrem Auto, ohne dass sie das Handy überhaupt aus der Tasche nahm. Gespenstisch kam Gasperlmaier das vor. Und auch recht umständlich, denn die Frau Doktor musste einer gurrenden Frauenstimme allerhand Fragen be­antworten, bevor sie endlich mit ihrer Dienststelle verbunden wurde. „Sucht’s mir doch heraus, ob wir

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