Letzte Bootsfahrt
junger Mann im Trachtenanzug mit leichtem Bartanflug. „Womit kann ich Ihnen dienen?“, fragte er, ein wenig von oben herab, wie es Gasperlmaier schien. Die Frau Doktor erklärte ihr Anliegen, worauf der junge Mann, den Blick in die Ferne gerichtet, zu referieren anfing. „Wir sind ein Fünf-Sterne-Haus, gnädige Frau. Die Gäste kommen hierher, um absolute Privatsphäre zu genießen und von unserem speziell geschulten Team verwöhnt zu werden.“ Die Augenbrauen der Frau Doktor wanderten in lichte Höhen. Gasperlmaier wusste, was jetzt kommen würde. Sie konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand, anstatt sachlich und nüchtern zu antworten, zu predigen begann. „Brav haben Sie Ihren Werbeprospekt auswendig gelernt!“, unterbrach sie ihn scharf. „Nur hier geht es um einen Mordfall. Und was ich auswendig gelernt habe, ist das Strafgesetzbuch. Da steht einiges drin über Behinderung behördlicher Ermittlungen. Und Sie suchen mir jetzt den Herrn Holzig, sollte er sich in Ihrem Haus aufhalten. Und zwar so schnell wie möglich. Haben wir uns verstanden?“ Vor der jungen Rezeptionistin wollte der Geschäftsführer nicht so einfach sein Gesicht verlieren und brauste auf. „Ja, was glauben Sie denn, wen Sie hier vor sich haben!“ Die Frau Doktor grinste nur und wandte sich zu Gasperlmaier um. „Gasperlmaier, besorgen Sie uns einen Durchsuchungsbefehl!“ Und zum Geschäftsführer gewandt sprach sie weiter: „Wen ich hier vor mir habe? Einen Angeber, der die Situation nicht erkennt, in der er ist, den habe ich vor mir.“
Gasperlmaier holte zwar pflichtschuldig sein Handy aus der Tasche, hatte aber keine Ahnung, was er tun und wen er anrufen sollte. Er fühlte sich überfordert. Doch der junge Mann hatte schon durch Gesten zu erkennen gegeben, dass er nachgab, und war verschwunden. Die Rezeptionistin lächelte die Frau Doktor an, sagte aber nichts. „Kein angenehmer Chef, wie?“, fragte sie, aber das Mädchen schüttelte nur den Kopf, ohne zu antworten. „Sie können da drüben warten!“, fiel ihr noch ein, und sie deutete auf eine Sitzgruppe schräg gegenüber der Rezeption.
Gasperlmaier und die Frau Doktor nahmen Platz, und es dauerte nicht lange, da kam der Geschäftsführer mit einem Herrn im Bademantel zurück, der, so fand Gasperlmaier, ein ziemlich finsteres Gesicht zog. Als er allerdings die Frau Doktor erblickte, hellte sich seine Miene schlagartig auf. Der Geschäftsführer sagte noch leise „Herr Kommerzialrat Holzig!“ und verzog sich dann hinter seinen Tresen, wo er der Rezeptionistin verärgert etwas zuflüsterte.
„Na, das ist aber eine angenehme Überraschung!“ Der Herr Kommerzialrat setzte sich auf das Ledersofa und schlug die Beine übereinander. Dicht und dunkel behaarte Haut kam zum Vorschein, die Gasperlmaier nicht unbedingt hätte sehen müssen. Er wandte seine Blicke ab. „Da bin ich schon direkt böse, weil man mich von der Massage holen lässt, weil angeblich die Polizei mit mir sprechen will – und dann begegne ich der schönsten Frau des heutigen Tages! Wenn das keine Freude ist!“ Dazu grinste er, wie Gasperlmaier fand, schleimig und taxierte die Frau Doktor von oben bis unten. Gott sei Dank, so dachte Gasperlmaier bei sich, hatte sie heute eine Hose an. Da bekam der Herr Holzig nicht viel zu sehen.
Die Augenbrauen der Frau Doktor waren bereits wieder bis zum Anschlag gehoben. „Bitte sparen Sie sich Ihre Komplimente, Herr Holzig. Wir möchten mit Ihnen wegen des Mordfalls Breitwieser sprechen. Sie haben ja heute im Büro Schnabel behauptet, Herrn Breitwieser eine größere Summe übergeben zu haben. Können Sie uns dazu Näheres sagen?“ Der Herr Holzig lehnte sich zurück und breitete seine Arme auf der Lehne des Sofas aus. Seine Arme waren ebenso dicht behaart wie seine Beine, stellte Gasperlmaier fest. Ein wenig erinnerte ihn der Herr Holzig an einen Gorilla. Er grinste auch wie ein Affe. „Warum denn so förmlich, Pupperl?“, meinte er neckisch, „jemand wie du sollte nicht Verbrecher fangen gehen. Dazu bist du viel zu zart und zu wertvoll.“ Gasperlmaier fragte sich, ob der Mann getrunken hatte. So konnte man doch nicht mit einer Kriminalbeamtin sprechen. Schon gar nicht mit dieser.
„Herr Kommerzialrat“, begann die Frau Doktor ganz leise, aber eindringlich. „Erstens einmal sind wir nicht per du. Zweitens habe ich keine Ahnung, woher Sie Ihr Frauenbild haben, aus diesem Jahrhundert jedenfalls nicht, und es ist mir ehrlich gesagt auch völlig
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