Letzte Bootsfahrt
ist so richtig am Leben. Jede Menge Leute, die einen guten Grund haben könnten, dem Herrn Breitwieser ans Leder zu wollen, jede Menge Leute, mit denen wir reden müssen, gute Motive. Müssen wir nur noch schauen, wer von denen auch gestern die Gelegenheit hatte, unbemerkt ins Haus Breitwieser zu spazieren, und wer von denen kein Alibi hat. Das werden wir schnell haben.“ Gasperlmaier war skeptisch. Er kannte diesen unerschütterlichen Optimismus der Frau Doktor, aber mehr als einmal war es passiert, dass sich die Lage am Ende als doch nicht so klar und einfach entpuppt hatte, wie man zu Beginn geglaubt hatte. Wahrscheinlich aber, so dachte er bei sich, musste man mit Zuversicht und Optimismus an eine solche Aufgabe herangehen, denn sonst müsste man am Ende angesichts verschlagener Mörder, verwinkelter Motivlage und verstockter Auskunftspersonen sowieso gleich verzweifeln. Es war wohl wie im Sport. Wenn man an den Start ging und das Rennen ohnehin schon verloren gab, dann schwanden auch die Kräfte.
Gasperlmaier spürte einen unangenehmen Druck vom Magen herauf und rülpste so verstohlen, dass er hoffte, die Frau Doktor werde es nicht merken. Das Gulasch und das Bier zu Mittag waren wohl doch nicht die beste Wahl gewesen. Womöglich drohten auch noch Blähungen, und das durfte in Gegenwart der Frau Doktor einfach nicht passieren, schon gar nicht, wenn er mit ihr im Auto saß. Wenn er mit dem Kahlß Friedrich allein auf dem Posten oder im Streifenwagen war, war das etwas völlig anderes, da durfte man sich schon den einen oder anderen lautstarken Darmwind genehmigen, da war man schließlich unter sich.
„Holen Sie einmal das Navi da aus der Mittelkonsole“, bat die Frau Doktor Gasperlmaier. „Oder wissen Sie den Weg zum Hotel Gassner?“ Gasperlmaier beeilte sich, zustimmend zu nicken. „Da brauchen wir kein Navi. Das Hotel kennt jeder. War schon ein großes Hotel, als ich noch ein Bub war. Von Wellness war damals allerdings noch keine Rede. Da war es schon eine Sensation, wenn alle Zimmer ein Bad und ein Klo hatten.“
Es dauerte nicht lange, und sie hatten das Hotel dank Gasperlmaiers kundiger Wegweisung erreicht. Der Parkplatz war nur spärlich besetzt, kein Wunder, es war mitten unter der Woche und keine Saison. Obwohl, so dachte Gasperlmaier bei sich, ins Dampfbad und in die Sauna gehen und sich den Rücken durchwalken lassen, das konnte man wohl bei jedem Wetter. Er selbst hielt von solchen Dingen nicht viel. Ihm war es schon im Sommer draußen schnell einmal zu heiß, und er sah nicht ein, warum er sich freiwillig in einer winzigen Kammer zusammen mit einigen anderen nackten Männern langsam garkochen lassen sollte. Seine Vorstellung von Entspannung war eine andere – ein schattiger Gastgarten, Klappstühle aus Holz, die auf gekiestem Boden standen, ein frisch gezapftes Bier, eine Essigwurst mit frischem Bauernbrot, das war mehr nach seinem Geschmack. Gott sei Dank kannte er einige Orte, wo diese Variante von Wellness im Angebot war, und zu wesentlich günstigeren Preisen noch dazu als die Schwitzkuren im Hotel Gassner.
An der Rezeption stand eine junge Frau im Dirndl. Das war im Salzkammergut wohl Ehrensache, dachte Gasperlmaier bei sich, dass man eine Rezeptionistin in ein Dirndl steckte. Das Mädchen war allerdings recht mager, und das Dirndl hing an ihr wie auf einem Kleiderbügel. „Doktor Kohlross, Kriminalpolizei.“ Das Mädchen zuckte regelrecht zusammen, als die Frau Doktor ihr den Ausweis vor das Gesicht hielt. So erschrecken, dachte Gasperlmaier, hätte man sie nicht unbedingt müssen. „Nicht aufregen“, beruhigte die Frau Doktor auch gleich. „Wir möchten nur mit einem Gast von Ihnen sprechen. Einem Herrn Holzig.“
Ganz entspannt hatte sich das Mädchen noch nicht, als sie zum Telefon griff und mit ein paar Mausklicks auf ihrem Computer suchte. „Der Herr Kommerzialrat ist leider nicht in seinem Zimmer“, sagte sie, nachdem sie einige Zeit dem Tuten im Telefonhörer zugehört hatte. Sie zuckte bedauernd mit den Schultern. „Könnte er sich irgendwo anders im Haus aufhalten? In einer Bar? In Ihrem Wellnessbereich?“ So schnell gab die Frau Doktor nicht auf. Das Mädchen schien ratlos. „Ich weiß nicht, soll ich vielleicht den Geschäftsführer holen? Der kann Ihnen vielleicht weiterhelfen.“ Na ja, dachte Gasperlmaier, Wunder war es keines, dass sie die Verantwortung lieber eine Ebene hinaufschieben wollte.
Sie griff wieder zum Telefon, und wenig später erschien ein
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