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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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sie Gasperlmaier. Der war froh über etwas Ablenkung und beugte sich über die Blätter. Die allermeisten Namen darauf waren Frauen, fiel ihm auf. Bei vielen war als Wohnort der Bauernhof angegeben, von dem sie eben kamen, aber es gab auch andere Adressen – aus Stadt und Land Salzburg, aus Oberösterreich, sogar aus Tirol und Wien waren einige dabei. Gasperlmaier war überrascht, dass ihnen die Frau Dötzlhofer so umfangreiche Daten zur Verfügung gestellt hatte. Auch die Frau Breitwieser fand sich auf der Liste, und ein paar Namen weiter fand Gasperlmaier noch eine Ausseer Adresse. „Da ist noch eine aus Aussee drauf“, teilte er der Frau Doktor mit, „eine Frau Dunkl. In der Bahnhofstraße wohnt sie.“ Gasperlmaier musste aufblicken. Das Lesen während der Autofahrt tat ihm gar nicht gut, vor allem bei der sportlichen Fahrweise der Frau Doktor. Es schüttelte ihn ordentlich herum. „Interessant“, meinte die Frau Doktor, „ich glaube, mit der sollten wir einmal reden.“
    Plötzlich seufzte sie, während sie einen LKW überholte. „Wir haben diesmal zu viele Fäden, die wir verfolgen müssen, Gasperlmaier. Vielleicht brauch ich sogar Unterstützung.“ Gasperlmaier sah überrascht auf. „Da ist zunächst einmal dieser Avalon-Kreis. Es hat schon Fälle gegeben, wo solche Vereine zu Gewalt gegriffen haben, um an eine Erbschaft zu kommen. Obwohl sie es meist nicht nötig haben und die Leute durch Psychoterror so weit bringen, dass sie ihr ganzes Hab und Gut an den Verein überschreiben. Dann haben wir die Immobiliengeschichte, und auch das ist ein Bereich, wo es um viel Geld geht – und die Beteiligten infolgedessen vor Gewalt manchmal nicht zurückschrecken. Und schließlich bleibt noch die Familie – die meisten Morde sind letztendlich doch Beziehungstaten.“ Gasperlmaier dachte nach. Ihm persönlich waren die Damen und Herren, die er beim erleuchteten Kreis gesehen hatte, zwar reichlich verrückt, keineswegs aber gewalttätig vorgekommen. Wie sollte man sich auch ein paar nackte Gymnastiker bei einer brutalen Mordtat vorstellen? Zudem hatte niemand versucht, ihm irgendetwas anzudrehen. Da erschienen ihm Immobilienhaie schon als wesentlich gefährlichere Zeit­genossen.
    „Ich hab Hunger! Wissen Sie hier irgendwo ein hübsches Gasthaus?“ Das überraschte Gasperlmaier jetzt ein wenig. Immer, wenn er mit der Frau Doktor unterwegs war, hatte es Schwierigkeiten gemacht, sie dazu zu bringen, eine Pause für das Besorgen von Ess- und Trinkbarem einzulegen. Und jetzt wollte sie selbst in ein Gasthaus. „Was schauen Sie mich so perplex an, Gasperlmaier? Glauben Sie, ich lebe von Luft und Liebe? Und schließlich müssen wir ja unser Taggeld verprassen, nicht wahr?“ Wiederum war es Gasperlmaier nicht gelungen, die erste Frage der Frau Doktor sinnvoll zu beantworten, bevor sie weitergesprochen hatte. Verärgert dachte Gasperlmaier daran, dass das Taggeld vor nicht allzu langer Zeit gekürzt worden war. Glaubte denn die Ministerin, deren Raubvogelgesicht ihm ohnehin schon allein durchs Hinschauen Magenschmerzen verursachte, dass die Leberkäsesemmeln mit der Zeit billiger wurden? Ganz im Gegenteil. Als er noch in der Gendarmerieschule gewesen war, da hatte eine Lebekäsesemmel bei der Ilse sechs Schilling gekostet, allenfalls sechs fünfzig, wenn man ein Gurkerl hinein wollte. Und heute? Das durfte man gar nicht in Schilling umrechnen, wenn man keinen Schlaganfall riskieren wollte. Die Ilse …
    „Gasperlmaier!“ Die Frau Doktor riss ihn energisch aus seinen Gedanken. „Was ist jetzt mit einem Gasthaus? Haben Sie keinen Hunger?“ Gasperlmaier schrak auf. „Ja, ja! Da rechts, fahren Sie rechts, Richtung Gosau!“ Fast war es schon zu spät, um auf die Abbiegespur einzuschwenken, doch die Frau Doktor war in ihren Reaktionen ebenso flott wie in ihrer Fahrweise. „Beim Steegwirt“, sagte Gasperlmaier, „gleich am Anfang vom Hallstätter See, da ist gut essen. Sind nur vier, fünf Kilometer Umweg.“
    Wenig später saßen sie in der urigen, mit Jagdtrophäen reich geschmückten Gaststube des Steegwirts. Die Frau Doktor studierte die Karte. „Stimmt!“, meinte sie, „gar keine schlechte Wahl, Gasperlmaier. Da finde ich was, das mir schmeckt.“ Gasperlmaier versuchte, den plötzlichen Sinneswandel der Frau Doktor anzusprechen, während er sein Bierglas verlegen zwischen den Fingern drehte. „Warum nehmen wir uns heute Zeit fürs Gasthaus?“, fragte er, „bisher sind wir doch immer …“ Gasperlmaier

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