Letzte Bootsfahrt
Zeitliche segnet“, hatte sie gemeint, „dann kannst du dich von mir aus in der Lederhose auf den Friedhof stellen, da bin ich nicht dabei.“ Gasperlmaier hatte entgegnet, dass er in diesen Fällen sowieso nur entweder in der Feuerwehr- oder in der Polizeiuniform ausrücken würde, womit er aber das Thema verfehlt hatte und die Lederhose endgültig aus dem Spiel war. Also hatte er – eingekeilt zwischen der Mutter und seiner Christine – eines der örtlichen Trachtengeschäfte zwecks Anprobe aufsuchen müssen. Gott sei Dank hatte der zweite Anzug bereits gepasst und die Zustimmung sowohl der Mutter als auch seiner Christine erhalten. Und als er sich dann im Spiegel gesehen hatte, hatte er sich selbst eigentlich auch ganz fesch gefunden. Allerdings, so stellte er jetzt fest, saß der Anzug des Herrn Doktor irgendwie eleganter.
Der Herr Doktor nahm neuerlich einen Schluck von seinem Kaffee und setzte die Tasse fast liebevoll sanft auf die Untertasse. „Erinnerst du dich noch“, frage er, sich zur Mutter vorbeugend, „an die Frau Strassganger? Weißt eh, die Lehrerin mit dem blauen Kittel. Da haben wir uns nicht einmal in der Pause mucksen dürfen!“ Die Mutter kicherte albern, wie Gasperlmaier fand, und beugte sich über ihre Unterarme, die auf dem Tisch lagen. „Ihr dürft euch gerne ein Buch holen und darin lesen!“, äffte sie jetzt offenbar den Ton der Lehrerin nach. „Und wir haben gefolgt und uns die ganze Pause nicht gerührt!“ Beide lachten jetzt, und Gasperlmaier sah ein verdächtiges Glitzern in den Augen und eine gewisse Röte auf den Wangen seiner Mutter. Konnte das sein, dass der Herr Doktor mit seiner Mutter flirtete? Und dass sie darauf einging? Gasperlmaier hatte seine Mutter, seit der Vater vor fünfzehn Jahren gestorben war, nicht einmal mit einem fremden Mann reden gehört, geschweige denn, dass sie einen so angelächelt hätte wie jetzt gerade. Mit Sicherheit war der Herr Rechtsanwalt verheiratet und hatte dazu noch eine Geliebte irgendwo in einer Garçonnière sitzen, dachte Gasperlmaier bei sich. Er fragte sich, wo der Loisl blieb, und hob sein leeres Bierglas, von der Mutter unbemerkt, leicht an. Unauffällig tauschte die Jasmin das leere gegen ein volles Seidel aus.
„Kennen Sie den Alois schon lange?“ Gasperlmaier wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen, als ihn die Bruni, Loisls Frau, plötzlich ansprach. Nach einer Schrecksekunde, während der er kurz überlegen musste, von welchem Alois hier die Rede war, hatte er begriffen, dass sie natürlich den Loisl selbst meinte. „Lang!“, antwortete er einsilbig und stellte dabei fest, dass Loisls Frau durchaus ansehnlich war. Die blonden Haare waren zwar gefärbt, wie man am Haaransatz sehen konnte, doch sie hatte ein hübsches Gesicht, auch wenn sich darin schon einige Falten eingegraben hatten. Und was man oberhalb der Tischkante von ihrer Figur sehen konnte, fand durchaus Gasperlmaiers wohlwollende Zustimmung. „Seit der Volksschule. Eigentlich vorher schon, wir waren viel zusammen. Wir waren ja fast Nachbarn“, wurde er jetzt ein wenig ausführlicher. „Komisch, dass wir uns nie begegnet sind. Ich bin mit dem Alois ja schon zusammen, seit er beim Bundesheer war. Da haben wir uns nämlich kennengelernt.“ „Waren Sie auch beim Bundesheer?“, fragte Gasperlmaier zurück und merkte im selben Moment, wie dumm seine Frage gewesen war. Die Frau Voglreiter aber kicherte nur und hielt die Frage bloß für einen guten Witz. Gasperlmaier sah, dass vor ihr ein leeres Weinglas und ein Schnapsstamperl standen. Vielleicht war sie deswegen schon so gut aufgelegt, mutmaßte er. „Wir haben uns in einem Lokal kennengelernt, ich war ja damals noch in der Schule. Und er war schon fesch, in der Uniform.“ Mehr als ein „Aha!“ fiel Gasperlmaier dazu nicht ein, er fühlte sich irgendwie müde, ein wenig benebelt von Bier und Schnaps, und hatte eigentlich keine große Lust auf eine längere Unterhaltung mit der Frau Voglreiter, die sich gerade über den Tisch zu ihm herüberbeugte und ihn in verschwörerischem Tonfall fragte: „Habt’s ihr viel angestellt, ihr zwei, wie ihr jung wart? Mit den Mädels, und so?“ Dabei kicherte sie neckisch. Gasperlmaier zuckte mit den Schultern. Das war ein kleiner wunder Punkt bei ihm, denn in seiner Jugend hatte es mit den Mädchen so gar nicht klappen wollen. Zwar war er ständig in irgendeine verliebt gewesen, hatte sich aber niemals getraut, sich seinen Angebeteten auch nur zu nähern. Von
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