Letzte Bootsfahrt
fand eine etwas aus der Form geratene Semmel vor, die er in die Mikrowelle legte. Eine Minute würde wohl genügen. Sicherheitshalber stellte Gasperlmaier auf volle Leistung und trug Butter und Marmelade zum Tisch. Als er nach der Semmel sah, war die heiß und so weich wie ein Abwaschfetzen. Gar nicht daran zu denken, dass man sie mit Butter und Marmelade bestreichen konnte. Gasperlmaier fluchte innerlich. Missmutig dachte er daran, was seine Christine wohl gerade machte. Wahrscheinlich lag sie noch in ihrem Hotelbett. Gasperlmaier drängten sich Bilder auf, auf denen neben der Christine im Bett einer ihrer verwahrlosten ehemaligen WG -Mitbewohner lag. Rasch versuchte er sie zu verdrängen und überlegte, ob er die Christine anrufen sollte. Schon hatte er ihre Nummer ausgewählt, scheute aber doch davor zurück, den grünen Knopf zu drücken, und entschied sich letztendlich für den roten. Noch missmutiger als zuvor schlürfte er seinen Kaffee und überlegte, ob er etwas anderes Essbares ins Auge fassen sollte. Eine Banane, die mit braunen Flecken übersät war, lag noch da, aber auf die verspürte er keinen Gusto. Gerade hatte er sich dazu entschlossen, ein paar Löffel Müsli mit Joghurt oder Milch zu sich zu nehmen, als sein Handy läutete.
„Gasperlmaier, Einsatz!“, rief die Frau Doktor, als er abhob. „Wir haben wieder eine Leiche! Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen!“ Während er, so schnell er konnte, in sein Hemd und seine Hose fuhr und gleichzeitig versuchte, die weiche Banane zu essen, fragte er sich, wer es denn diesmal sein konnte, der von einem unbarmherzigen Mitmenschen um sein Leben gebracht worden war. Hatte die Frau Schnabel ihrem Mann das Lichtlein ausgeblasen? Oder hatte am Ende der Avalon-Kreis nochmals einen Killer geschickt, um die Frau Schnabel beiseitezuschaffen, die sich ja als äußerst hinderlich erwiesen hatte, was die Weitergabe der dreihunderttausend Euro an die Avalon-Jüngerinnen betraf? Oder hatte sich wieder einmal ein jugendlicher Alkolenker selber aus dem Verkehr gezogen?
Als er sich zur Haustür aufmachte, fiel ein Stück der wirklich batzweichen Banane auf sein Hemd und hinterließ dort einen matschigen Fleck, aber draußen sah er bereits das Blaulicht zucken, und er wagte nicht, sich noch Zeit zum Abwischen zu nehmen. Er fuhr in seine Schuhe und sperrte hinter sich ab. „Kommen Sie, Gasperlmaier!“, rief die Frau Doktor. „Im Bootshaus, da liegt einer in der Plätte!“, informierte sie Gasperlmaier, während sie schon mit quietschenden Reifen durchstartete. Das Bootshaus, erinnerte sich Gasperlmaier, hatte schon in einem anderen Kriminalfall eine Rolle gespielt. Eine Leiche aber hatten sie darin noch nicht gefunden. Hoffentlich würde sich der Inhaber, der Niedergrottenthaler, nicht wieder so aufregen wie damals, dass sie sein Bootshaus abgeriegelt hatten. Aber zu dieser Jahreszeit würde wahrscheinlich eh keiner freiwillig mit der Plätte hinausfahren.
Das ganze Gelände rund um den Schuppen war mit bunten Bändern abgesperrt, mehrere Fahrzeuge mit blinkenden Blaulichtern umstanden das Gebäude. Auf dem Steg außerhalb der Bootshütte trafen sie auf den Kahlß Friedrich. „Ich sag dir’s gleich, Gasperlmaier, ein schöner Anblick ist es nicht!“ Dem wurde sofort ein wenig flau im Magen. Mit Schrecken erinnerte er sich daran, dass er sich bereits einmal nach einem Leichenfund hatte übergeben müssen.
Die Frau Doktor verschwand im Dunkel des Bootshauses. Heute waren wieder einmal Jeans und Sportschuhe dran. Sie sah darin weniger weiblich aus, fand Gasperlmaier. Er folgte ihr, und es dauerte eine Weile, bis er im Dämmerlicht des Bootshauses die Leiche sah, die gleich in der ihm am nächsten liegenden Plätte lag. Gasperlmaiers Entsetzen war so groß, dass er die Hände vor den Mund schlug und es ihn im Hals würgte, als er den Doktor Schwaiger erkannte. Im gleichen Moment musste er daran denken, dass er der Mutter beibringen würde müssen, dass ihr Begleiter der letzten Tage, der ihr so sehr ans Herz gewachsen war, einen grauenhaften Tod gefunden hatte. Er selbst hatte ja nichts als Argwohn für die Beziehung übrig gehabt. Nun tat ihm das unendlich leid.
In einer entwürdigenden Weise hatte man den Doktor Schwaiger zur Schau gestellt. Hose und Unterhose hatte ihm der Mörder heruntergezogen, sodass sein Geschlechtsteil allen sichtbar war. Die Unterhose hing dem Doktor Schwaiger auf Kniehöhe. Sein Ausseerhut lag, ein wenig zerknautscht, im Bug der Plätte. Wer
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