Letzte Bootsfahrt
Gasperlmaier gab vor, sich brennend für die ausgestellten Waren zu interessieren, um nicht mit ihr in Blickkontakt treten zu müssen. Leider waren keine Kunden vor ihm. „Ja, bitte?“, bellte sie Gasperlmaier an, dass der regelrecht aufschrak. „Zwei Mohnflesserl. Mit Schweinsbraten, bitte“, stotterte er. Der kalte Schweinsbraten sah frisch aus, nicht allzu fett und gut gewürzt. „Den kann ich aber nicht dünn aufschneiden!“, fuhr sie Gasperlmaier an. „Der ist noch warm!“ „Dann halt so, wie es geht!“, beeilte sich Gasperlmaier einzulenken. Die Verkäuferin säbelte ohne jedes Gefühl für das zarte Schweinefleisch vier Scheiben herunter und knallte sie auf das Einwickelpapier, als hätte der Schweinsbraten sie persönlich beleidigt. Gasperlmaier hätte gern Senf unter die Schweinsbratenscheiben und Gurkerl darüber gehabt, wagte aber nicht mehr danach zu fragen, weil der Braten bereits zwischen die Hälften der Mohnflesserl geschleudert worden war. „Bitte!“ Die verpackte Jause landete mit einem Klatsch auf der Theke und Gasperlmaier machte, dass er davonkam. Vorsichtig schlich er sich noch an das Regal mit Gurkerl und Senf, versicherte sich, dass ihn die Verkäuferin nicht beobachten konnte, und schnappte sich ein kleines Glas süßsaure Gurkerl und eine mittelgroße Tube Kremser Senf.
Als Gasperlmaier, seine Einkäufe vor sich auf den Armen balancierend, auf die Kassa zusteuerte, betrat die Frau Breitwieser den Supermarkt. Gasperlmaier wollte sie schon grüßen, besann sich aber eines Besseren und suchte hinter dem Regal mit den Romanheften Deckung. Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass sie ja die Suche nach den dreihunderttausend Euro zuletzt vernachlässigt hatten, die der Herr Holzig dem Herrn Breitwieser zwecks Erringung einer Baugenehmigung in Seenähe überlassen hatte. Der Tod des Doktor Schwaiger hatte die Ermittlungen in eine andere Richtung gelenkt. Vielleicht aber, so überlegte Gasperlmaier, konnte er die Ermittlungspause, während der die Frau Doktor mit Telefonieren, Mailen und Faxen beschäftigt war, für einen eigenen Ermittlungserfolg nutzen. Unauffällig folgte er der Frau Breitwieser, wobei ihm seine eigenen Einkäufe mehr als hinderlich waren. Gasperlmaier gab vor, sich intensiv für die feilgebotenen Arztromane und das Salzgebäck zu interessieren, während er aus den Augenwinkeln die Bewegungen der Frau Breitwieser verfolgte. Die Salzerdnüsse direkt vor seinen Augen erinnerten ihn an die Christine, denn die betrachtete ihn in der Regel mit Argwohn, wenn er zu später Stunde wieder einmal in die Speis schlich, weil ihn ein Heißhunger nach Salzigem überkommen hatte. „Viel zu viel Salz, und viel zu viel Fett!“, warf ihm die Christine dann vor, wenn sie ihn mit einer Handvoll Erdnüsse vor dem Fernseher ertappte. Was sie wohl gerade machte?
Der Stachel der Eifersucht brannte in Gasperlmaiers Fleisch, und über seinen Gedanken hätte er fast übersehen, dass die Frau Breitwieser bereits bei der Kassa angelangt war und nur noch ein Kunde vor ihr wartete, um seine Einkäufe zu bezahlen. Er wartete noch ein wenig ab, denn er wollte der Frau Breitwieser nicht schon im Supermarkt begegnen. Er hätte nicht gewusst, was er mit ihr reden hätte sollen. Als er sich endlich zur Kassa begab, hatten sich natürlich zu seinem Pech bereits mehrere Kunden angesammelt, sodass er warten musste. Wenn sie nicht nach Hause ging, hatte er sie jetzt schon verloren. Die Frau vor ihm hatte den Einkaufswagen voll. Ganz vorne verließ die Kassierin gerade ihren Sessel. „Der Kren hätte abgewogen gehört!“, wies sie den Kunden ärgerlich zurecht. Gasperlmaier saß auf Nadeln, doch es dauerte eine Weile, bis die Kassierin zurück war. Zu seinem Unglück zahlte die Kundin vor ihm auch noch mit Gutscheinen, die mehrmals mühsam abgezählt werden mussten. Als Gasperlmaier mit seiner Jause in den Armen vor dem Markt stand, war natürlich keine Spur mehr von der Frau Breitwieser zu sehen.
Erst jetzt fiel ihm ein, dass er ja nicht so einfach mit seinen Einkäufen unter den Armen bei der Frau Breitwieser aufkreuzen konnte. Er hastete zurück zum Posten und warf die Sachen einfach in den Kofferraum des Dienstwagens, um sich auf den Weg zum Hause Breitwieser machen zu können. Als er dort nach nicht einmal zehn Minuten klingelte, fiel ihm siedend heiß ein, dass er sich noch gar keinen Grund überlegt hatte, der ihn zur Vorsprache berechtigte. „Wegen meinem Hals!“, sprudelte er daher hervor,
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