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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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dem Schulweg und so, damals.“ Die Frau Doktor, so beobachtete Gasperlmaier, war plötzlich hellwach und gespannt. „Die beiden Opfer haben sich also seit ihrer Jugend gekannt? Sagen Sie, hat der Herr Doktor Schwaiger einmal erwähnt, dass er dem Herrn Breitwieser kürzlich begegnet ist, in den Tagen vor seinem Tod vielleicht?“ Die Mutter schüttelte den Kopf. „Der Michl ist ja erst am Tag vom Begräbnis hergekommen, aus Wien. Der hätte überhaupt keine Zeit gehabt, dass er davor noch jemanden trifft.“
    Die Frau Doktor ergriff nun doch ihr Schnapsstamperl. Anstatt es zu leeren, schob sie es aber der Mutter hin. „Trinken Sie den, Frau Gasperlmaier. Einer geht schon noch. Es ist ein schlimmer Tag für Sie heute, da dürfen Sie schon einmal über die Schnur hauen.“ Gasperlmaier hatte erwartet, dass die Mutter den zweiten Schnaps ablehnen würde und war überrascht, dass sie ihn ohne langes Zögern hinunterstürzte. „Soll ich Ihnen den Franzl dalassen, damit Sie nicht ganz allein sind?“ Gasperlmaier hörte es nicht gern, dass ihn die Frau Doktor bei seinem Vornamen nannte, das war nämlich der Mutter vorbehalten. Selbst die Christine nannte ihn bei seinem Familiennamen, außer es gab eine Krise zwischen ihnen, dann rief sie ihn Franz. Wenn es besonders gut lief, war er der Gasperl. Die Mutter winkte ab. „War ich bis jetzt immer allein, wird es jetzt auch gehen.“ „Mutter, du bist nicht immer allein. Du bist doch eh jede Woche bei uns. Und sonst auch, wenn was ist, Weihnachten und Geburtstag und so“, verteidigte sich Gasperlmaier. Die Mutter sah ihm ernst und versonnen ins Gesicht. „Im Herzen bin ich allein, Franzl.“
    Gasperlmaier wurde die Unterhaltung jetzt peinlich. Wenn Gefühle geäußert wurden, und das noch dazu in aller Öffentlichkeit, war er schnell unangenehm berührt. Er verabschiedete sich hastig von der Mutter und flüchtete ins Vorhaus. Draußen aber machte ihm die Frau Doktor weitere Vorwürfe. „Sie könnten schon ein wenig herzlicher mit Ihrer Mutter umgehen, Gasperlmaier“, meinte sie. „Ein wenig Trost, ein wenig Zuneigung, das hätte sie schon brauchen können.“ Gasperlmaier rang mit sich. Einerseits war es ihm zuwider, dass die Frau Doktor hier in seinem Privatleben herumstöberte, andererseits suchte er nach Gründen, die sein Handeln rechtfertigen konnten. Der Friedrich enthob ihn schließlich einer Antwort, aber nur, um ihn noch tiefer hineinzureiten. „Lassen S’ ihn doch in Ruhe, Frau Doktor. Der Gasperlmaier hat momentan gerade ein bisserl Stress, weil die Christine mit Freunden aus ihrer Studienzeit ein fröhliches Wochenende feiert, und er kommt sich da alleingelassen vor.“ Gasperlmaier knirschte mit den Zähnen. Sein Privatleben hatte, so fand er, in diesem Kreis überhaupt nichts verloren. Es galt, zwei Morde aufzuklären, und die beiden hatten nichts Besseres zu tun, als in seinem Seelen­leben herumzukramen und ihm gute Ratschläge zu er­teilen. Er entschloss sich zu schweigen. Und zwar so lange, bis es wieder etwas Dienstliches zu reden gab.
    Bald stellte sich das als ein gewisses Problem heraus, denn die Frau Doktor hatte beschlossen, zum Posten zurückzufahren. Wichtige E-Mails, meinte sie, seien abzusenden, und ein paar Telefongespräche seien auch nötig, und zwar an einem Schreibtisch, wo sie sich auch Notizen machen konnte. Der Friedrich nahm schnaufend hinter seinem Schreibtisch Platz und holte seine Hartwurst, die Essiggurkerl und einen halben Laib Brot aus einer Schublade, in der er immer einen kleinen Vorrat bereithielt, wenn er einmal nicht dazu kam, eine ordentliche Jause zu besorgen oder gleich beim Wirt einzunehmen. Gasperlmaier indessen war der Schnaps zu Kopf gestiegen, zudem verspürte auch er Hunger, hatte aber keine Lust, die Vorräte des Friedrich zu teilen. Noch weniger Lust hatte er darauf, die paar Berichte ins Reine zu tippen, die darauf noch warteten, während die Frau Doktor Gespräche mit der Kriminaltechnik, der Gerichtsmedizin und verschiedenen anderen Stellen führte, die offenbar unergiebig waren, denn sie wurde immer ärgerlicher. Gasperlmaier merkte es an ihrem Tonfall. So beschloss er, sich unauffällig davonzuschleichen und gegenüber im Supermarkt eine stimmungsaufhellende Jause zu besorgen.
    Als er zur Wursttheke hintrat, erschrak er. Gerade jetzt musste diese lange, dürre Verkäuferin Dienst haben, die die Kunden in Angst und Schrecken versetzte, oder zumindest ihn. Dennoch gab es jetzt kein Entrinnen.

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