Letzte Bootsfahrt
Rettung aus der immer bedrohlicher werdenden Situation ein. Er wartete die Antwort der Frau Breitwieser gar nicht erst ab, denn er wusste ja nur zu gut Bescheid, wo in diesem Haus das Klosett zu finden war. Als er vor der Muschel stand, stellte er fest, dass seine Blase doch leidlich gut gefüllt war, gleichzeitig aber musste er sich eingestehen, dass es mit dem Energiefluss heute wirklich nicht weit her war, denn er mühte sich bei der Blasenentleerung redlich ab. Nachdem er schließlich seine Kleidung in Ordnung gebracht hatte, kam der große Moment. Gasperlmaier versuchte, den Deckel des Spülkastens abzuheben, was schwieriger war als gedacht. Bei sich zu Hause musste er den Deckel wegen der einen oder anderen anstehenden Reparatur häufig entfernen, aber dieser hier erschien ihm schwergängiger. Wahrscheinlich schon lange nicht mehr geöffnet. Gasperlmaiers Hoffnung sank.
Plötzlich löste sich der Deckel überraschend doch und krachte mit lautem Gepolter zu Boden. Doch das war Gasperlmaier jetzt egal. Im verbliebenen Wasser des Spülkastens schwamm nämlich ein in Plastikfolie eingeschlagenes Päckchen. Er wagte seinen Augen nicht zu trauen. Wenn die Frau Breitwieser nicht gerade auf Koks war, dann konnten das nur die vermissten dreihunderttausend Euro des Herrn Holzig sein, die da im Klo herumschwammen. Innerlich triumphierend fischte Gasperlmaier das Paket heraus. Groß erschien es ihm nicht, und er begann zu zweifeln, ob es wirklich dermaßen viel Geld enthalten konnte. Vorsichtig trocknete er das Paket mit ein wenig Klopapier ab und versuchte dann, das braune Klebeband zu entfernen, das das Paket umhüllte. Es saß zu fest und zerriss beim Entfernen die äußere Hülle.
„Herr Inspektor, gibt es ein Problem?“, kam von draußen die unsichere Stimme der Frau Breitwieser. Sie hatte offenbar Verdacht geschöpft. Nun war Gasperlmaier alles egal. Er öffnete die Toilettentür und hielt der Frau Breitwieser das immer noch tropfende Paket unter die Nase. „Was werde ich denn da drin finden, wenn ich es aufmache?“, schnauzte er die Frau Breitwieser an. Sofort begann sein Nacken heftig zu schmerzen. Am Ende war die Frau Breitwieser doch mit übernatürlichen Kräften gesegnet. Er nahm sich gar nicht erst die Zeit, ins Wohnzimmer zurückzukehren, und riss das Paket über der Vorzimmerkommode auf. Einige Fünfhunderternoten rieselten auf das Telefon hinunter, die meisten davon steckten allerdings fest zu Paketen gebunden zwischen Banderolen. Die Frau Breitwieser begann zu kreischen. „Das ist sündiges Geld! Das ist unrein! Ich habe eine Aufgabe!“
Gasperlmaier versuchte wegzuhören, sammelte das Geld ein und verließ fluchtartig das Haus. Jetzt galt es, möglichst schnell den Polizeiposten zu erreichen und das Geld der Frau Doktor zu übergeben, damit er nicht etwa in Verdacht geriet, Geld geraubt oder unterschlagen zu haben. Hinter ihm riss die Frau Breitwieser die Haustür auf und schrie hinter ihm her: „Dieb! Mörder! Räuber! Das ist mein Geld! Unser Geld!“ Kurz stieg in Gasperlmaier Panik auf, er beruhigte sich aber schnell wieder, weil er darauf hoffte, dass die meisten der Nachbarn, die das Geschrei hören konnten, die Frau Breitwieser ohnehin für verrückt hielten.
Atemlos erreichte er den Polizeiposten und hielt erst einmal inne, um zu verschnaufen, damit er, sobald er das Büro betrat, der Frau Doktor gleich erklären konnte, woher das Geld stammte. Vorsichtig spähte er noch einmal durch den Riss in der Plastikfolie, um sich zu vergewissern, dass das Paket tatsächlich Fünfhunderter-Noten und nicht etwa Papierschnipsel enthielt. Man wollte sich ja schließlich nicht blamieren. Er nahm ein Paket Fünfhunderter heraus und ließ es durch die Finger gleiten. So etwas würde er sicher nicht noch einmal in die Hände bekommen, dachte er bei sich. Dreihunderttausend Euro! Was er da in den Händen hielt, das war fast ein Einfamilienhaus! Fünfzehn Autos! Einfach unglaublich. Wenn er mit diesem Erfolg bei der Frau Doktor auftrat, dann würde er auch nach und nach die Sache mit der heruntergezogenen Hose bei der Leiche des Herrn Breitwieser zugeben können.
Triumphierend warf Gasperlmaier das Paket auf den Schreibtisch der Frau Doktor. Die reagierte allerdings nicht wie erhofft. „Geh, Gasperlmaier, Sie machen mir ja alles nass!“ Gasperlmaier war sprachlos und gestikulierte vor den Augen der Frau Doktor herum. „Wo haben Sie denn das überhaupt her? Und wieso ist es nass? Es regnet doch gar
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