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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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dass sie wieder an seinem Kragen herumzupfte. „Kein Wort kommt ihm aus, dem Franzl. Ist er Ihnen gegenüber auch so verstockt?“, fragte die Mutter die Frau Doktor. „Verstockt würde ich das nicht nennen. Aber der Schlagfertigste ist der Gasperlmaier nicht.“ Sie lächelte, und auch die Mutter rang sich ein Lächeln ab. „Geredet hat er ja nie viel, der Franzl“, sagte die Mutter, mehr zur Frau Doktor als zu ihm gewandt. „Aber eigentlich ist er ja doch ein guter Bub!“ Jetzt war es doch so weit. Die Mutter beugte sich zu ihm herüber und zog an seinen Kragenenden. Gasperlmaier fühlte sich unwohl. War man jetzt hierhergekommen, um über den Tod des Doktor Schwaiger zu sprechen, oder über ihn und seine angeblichen Charakterschwächen? Er stand auf und sah in den akkurat gepflegten Garten hinaus.
    „Frau Gasperlmaier“, sagte die Frau Doktor, „glauben Sie, dass Sie uns ein paar Fragen über den Doktor Schwaiger beantworten können?“ Die Mutter stand ebenfalls auf. „Franzl, holst den Obstler heraus?“, fragte sie und verschwand in der Küche, um die Schnapsstamperln zu holen. Gasperlmaier trat zur Glasvitrine und griff nach der Literflasche ohne Etikett. Ein Cousin der Mutter brannte den Obstler, und nur den nahm die Mutter zu sich, aber lediglich als Medizin, aus gesundheitlichen Gründen in schweren Zeiten, wie sie immer wieder betonte. „Auf den Schreck hin“, sagte sie und nahm Gasperlmaier die Flasche aus der Hand, „dürfen wir uns schon einen genehmigen. Auch, wenn’s noch früh am Vormittag ist.“ Gasperlmaier brannte der Schnaps ordentlich im Magen. Schließlich hatte er noch nicht einmal ein vernünftiges Frühstück zu sich genommen.
    „Frau Gasperlmaier“, begann die Frau Doktor, ohne ihren Schnaps angerührt zu haben, „wissen Sie, mit wem der Doktor Schwaiger hier im Ort Kontakt gehabt hat in den letzten Tagen?“ Die Mutter schüttelte den Kopf. „Ich hab ihn ja nur allein gesehen, außer beim Begräbnis von der Voglreiter Friedl. Und seither bin ich ein paarmal mit ihm zusammen gewesen. Da war aber sonst niemand dabei. Und erzählt hat er mir auch nicht, dass er jemand anderen getroffen hat.“ Die Mutter begann neuerlich zu schluchzen und wischte mit einem karierten Taschentuch in ihrem Gesicht herum. „Wer war denn bei dem Begräbnis noch dabei?“, fragte die Frau Doktor.
    Die Mutter antwortete nicht gleich, die Frau Doktor aber ließ ihr Zeit. „Die Familie halt“, sagte sie schließlich, „und ein paar Freunde aus der Schulzeit. Ich eben, und der Michl, und dann noch der Manzenreiter Sepp, der ist auch mit uns in die Schule gegangen. Aber das weiß eh der Franzl!“ Sie zeigte auf Gasperlmaier, der sich rechtfertigte. „Aber Mutter, ich hab die ja alle gar nicht gekannt, aus deiner Schulzeit. Was weiß denn ich, wer die ganzen alten Leute waren, die da herumgesessen sind.“ „Alte Leute!“, schniefte die Mutter ein wenig vorwurfsvoll. „Aber ist ja wahr“, gab sie nach. „Wir sind ja wirklich schon alt. Aber der Michl hätt noch ein paar schöne Jahre haben können.“ Wieder musste die Mutter ihr Taschentuch benutzen. Womöglich mit der Mutter hätte er noch ein paar schöne Jahre haben wollen, dachte Gasperlmaier bei sich, auch jetzt noch nicht ganz frei von der quälenden Eifersucht, die der Doktor Schwaiger in ihm ausgelöst hatte. Oder verwechselte er da was? War es nicht vielleicht eher seine Christine, die ihn mit ihren ebenso unbekannten wie seltsamen WG -Freunden gereizt und verunsichert hatte? Ließ er die Mutter für die Treulosigkeit seiner Frau büßen? Die saß jetzt wahrscheinlich mit ihren Freunden von früher in irgendeinem schicken Café in Salzburg und ließ die Proseccogläser klingen, während er sich hier mit halbnackten Männerleichen abgeben musste. Manchmal wünschte sich Gasperlmaier, er wäre auch Lehrer geworden, wie seine Christine. Oder, noch besser, Jäger. Da hätte er den halben Tag durch die Gegend spazieren und ein bisschen auf die Landschaft aufpassen können. Kein Vergleich mit dem harten Polizistenalltag.
    „Haben Sie eigentlich das Opfer des ersten Mordes, den Herrn Breitwieser, haben Sie den auch gekannt?“, fragte die Frau Doktor nun. Die Mutter zuckte mit den Schultern. „Gekannt ist übertrieben. Der war ja zwei Jahre über mir in der Schule, der hat sich nicht mit uns abgegeben. Aber der Michl, der hat ihn schon gekannt. Er hat sogar davon erzählt, dass sie so einigen Blödsinn miteinander getrieben haben, auf

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