Letzte Bootsfahrt
als die Frau Breitwieser öffnete und ihn fragend ansah. „Sie haben doch so einen Stein, einen grünen. Gegen die Schmerzen im Nacken und in der Schulter.“ Die Frau Breitwieser, fand Gasperlmaier, bekam im gleichen Moment direkt fürsorglich-mütterliche Züge.
„Kommen Sie doch herein, Herr Inspektor!“ Fast hatte Gasperlmaier den Eindruck, als zwinkere sie ihm zu. „Der Stein ist übrigens nicht grün!“, belehrte sie ihn, als sie das Wohnzimmer mit den vielen Regalen betreten hatten. „Es ist ein Aquamarin. Und blau. Für Ihr Hals-Chakra! Vishudda!“ Gasperlmaier dankte ihr mit einem zögerlichen Nicken, als er den Stein entgegennahm. „Sie müssen ihn gegen Ihren Kehlkopf drücken.“ Als Gasperlmaier keine Anstalten dazu machte, nahm ihm die Frau Breitwieser den Stein wieder ab und drückte ihn so überraschend und fest gegen seinen Kehlkopf, dass Gasperlmaier heftig husten musste und zurückwich. „Danke!“, presste er hervor, während ihm die Tränen in die Augenwinkel schossen. Vorsichtshalber hielt er die Hand auf, damit die Frau Breitwieser nicht noch einmal auf die Idee kam, seinem Kehlkopf nahezutreten. Als er den Stein wieder zurückbekam, legte er ihn selbst vorsichtig etwas unterhalb des Kehlkopfs an seine Haut. „Das Hals-Chakra“, dozierte die Frau Breitwieser, die schon wieder diesen etwas entrückten Blick bekam, „ist auch zuständig für den sprachlichen Ausdruck, für die Inspiration der Rede!“ Gasperlmaier begann, sich für den Aquamarin und das Vishudda-Chakra zu erwärmen. Wenn er gleichzeitig seine Nackenschmerzen und seine mangelhafte Kommunikationsfähigkeit in den Griff bekommen konnte, war der Stein seine zwanzig Euro vielleicht doch wert.
Aber jetzt musste Gasperlmaier unbedingt noch aufs Klo. Nicht, weil ihn der Inhalt seiner Blase dazu nötigte, sondern weil er sich fest vorgenommen hatte, einen Blick in den Spülkasten zu werfen, auch wenn er sich nur wenig Hoffnung machte, dass sich das gesuchte Geld tatsächlich darin finden würde. Wie er es anstellen sollte, aufs Klo zu kommen, war ihm einstweilen noch unklar. „Möchten Sie vielleicht ein Glas energetisiertes Wasser?“, kam ihm die Frau Breitwieser zu Hilfe. Gasperlmaier fühlte sich gerettet. Er nahm Platz und bekam ein Glas aus dem mit Steinen beschwerten Krug. Sogar in seinem Glas fand sich ein blauschimmernder Stein. Die Konversation allerdings blieb, von seiner Seite aus gesehen, mühsam. Da traf es sich gut, dass die Frau Breitwieser ungefragt in einem fort dozierte. „Wissen Sie, die Chakren sorgen dafür, dass die Lebensenergie ungehindert durch den Körper fließen kann. Wenn ich Sie ansehe, Herr Inspektor, da sehe ich sofort Blockaden. Überall! Nicht nur am Hals!“ Gasperlmaier versuchte sich auf dem Sofa zu entspannen, sodass er der Frau Breitwieser einen ungehinderten Energiefluss zumindest vortäuschen konnte. Gerade in diesem Moment aber spürte er viel deutlicher als sonst, dass ihn der Gürtel seiner Uniformhose drückte. Und auch sein Schlüsselbund hatte sich so ungünstig im Hosensack verklemmt, dass an Entspannung gar nicht zu denken war.
Die Frau Breitwieser maß Gasperlmaier mit abschätzigen Blicken. „Wenn ich mir so ansehe, wie Sie da sitzen, bin ich mir sicher, dass mit Ihrem Sakralchakra auch etwas nicht in Ordnung ist.“ „Mit dem was?“, fragte Gasperlmaier irritiert zurück. „Das Sakralchakra ist eng verbunden mit der Lebenslust und dem Fortpflanzungstrieb“, fuhr die Frau Breitwieser fort, und Gasperlmaier hatte das Gefühl, als lenkte sie ihre Blicke genau in diese Richtung. „Da gibt’s dann leicht Störungen im sinnlichen Empfinden!“ Die Frau Breitwieser stand auf und näherte sich Gasperlmaier. „Es liegt etwa eine Handbreit unterhalb des Bauchnabels. Ich darf doch einmal?“ Gasperlmaier schoss hoch und verschüttete dabei ein wenig von dem kostbaren energetisierten Wasser. Eigentlich rechnete er damit, dass es zumindest ein Loch in den Teppich ätzen würde, doch nichts geschah. Er wich zurück, denn das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass die Frau Breitwieser in irgendeiner Weise seinem Geschlechtschakra nahe kam. Da ließ er nur seine Christine dran, denn die kannte sich, da war er sich sicher, wesentlich besser damit aus als die Frau Breitwieser. Wenn die Christine Hand anlegte, war auch von Verspannungen und mangelndem Energiefluss nie etwas zu merken.
„Darf ich vielleicht noch Ihre Toilette benutzen?“, fiel Gasperlmaier als letzte
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