Letzte Bootsfahrt
entwickeln. So ganz vertraut wie früher waren wir nicht mehr. Und als Frau von einem Polizisten muss man sich schon so manches anhören, was als Spaß gemeint ist, aber bei mir nicht immer so ankommt.“
Der Christoph schnappte gerade Gasperlmaier das letzte Stück gebratenen Speck weg. „Der Beda, dieser komische Minnesänger“, meinte er, „hat sich der über mich lustig gemacht, der Hungerleider?“ Die Christine seufzte. „Er ist eigentlich eh ein armer Teufel. Ich weiß, dass ihr zwei überhaupt nicht kompatibel seid, aber ich mag ihn trotzdem.“ Gasperlmaier spürte einen Stich von Eifersucht irgendwo in seinem Inneren. „Von wegen kompatibel! Mit dem nehm ich’s noch lang auf, mit dem heruntergekommenen Bartwisch!“ „Kompatibel hat nichts mit Wettkampf zu tun“, belehrte ihn der Christoph. „Die Mama meint, dass ihr so wenig gemeinsam habt, dass eine erfolgreiche Kommunikation gar nicht möglich ist.“ Gasperlmaier hasste es, wenn er so gescheit daherredete. Und er hasste es auch, dass er sich mit einem Butterbrot begnügen musste, während der Christoph seinen Speck in sich hineinschlang. Er nahm sich vor, die Christine später unter vier Augen noch genauer zu den Ereignissen in Salzburg zu befragen. Vor den Kindern erschien ihm das weder respektvoll noch zielführend. „Weißt was“, sagte die Christine. „Wir zwei gehen jetzt eine Runde um den See. Zum Auslüften!“ Gasperlmaier gab zu bedenken, dass es regnete, die Christine aber wischte seine Einwände beiseite.
Nur eine halbe Stunde später stand Gasperlmaier am Ufer des Altausseer Sees, und in der Mulde seines Hutes hatte sich bereits eine kleine Wasserlache gebildet. Immer wieder musste er den Hut ausleeren, damit das Regenwasser nicht durchdrang. Dennoch hatte die Christine recht gehabt: Schon nach dieser halben Stunde fühlte er sich seltsam befreit. Er blickte über den See hinweg zum Ort hinüber und musste sich selbst eingestehen, dass seine Heimat selbst im Regen noch schöner war als manch andere Gegend bei strahlendem Sonnenschein.
12
„Mich wundert“, sagte der Friedrich, „dass uns noch niemand blöd gekommen ist, wegen der Geschichte in der Schilling-Zeitung.“ Gasperlmaier war nicht begeistert, dass die Sprache erneut darauf kam. Er hatte schon fast auf die Angelegenheit vergessen. „Die von der Internen haben mich auch angerufen“, sagte der Friedrich, „aber die Frau Doktor hat mir vorher genau erklärt, was ich sagen soll. Denn gesehen habe ich ja eigentlich nichts, als dass die Schablinger plötzlich schreiend auf dem Boden gelegen ist. Hast ihr wirklich nichts getan?“
Gasperlmaier war entrüstet. „Was glaubst denn? Hab ich mich schon jemals im Dienst an wem vergriffen?“ Der Friedrich schob sich eine Scheibe Hartwurst zwischen die Zähne und verzog den Mund zu einem Grinsen, soweit das während des Kauens möglich war. „Erinner dich doch an die Geschichte, wo wir die Buben dabei erwischt haben, wie sie im Friedhof auf die Gräber geschifft haben! Alle drei haben sie ein paar Watschen von uns gekriegt, aber beschwert hat sich keiner.“ Gasperlmaier konnte ein Lächeln nur mühsam unterdrücken. Ja, früher! Da waren kleine wie auch gröbere Ordnungswidrigkeiten ohne großes Tamtam zur beiderseitigen Zufriedenheit beigelegt worden, aber heute drohten die Leute ja schon mit dem Rechtsanwalt, wenn man sie nur anhustete. Gasperlmaier erinnerte sich an einen Kollegen, der ihm bei einer Fortbildung von einem Verfahren gegen ihn erzählt hatte. Er hatte jemanden dabei erwischt, wie er seinen Hausmüll in eine Altpapiertonne geschmissen hatte, und den Mann als Schwein bezeichnet. Der hatte ihn daraufhin gleich angezeigt. Die drei Grabsteinschiffer übrigens waren später nie mehr auffällig geworden, erinnerte sich Gasperlmaier. Einer davon saß heute sogar im Gemeinderat.
„Einen wunderschönen guten Morgen!“ Mit einem Schwung ging die Tür auf, und die Frau Doktor betrat mit einem triefnassen Schirm den Polizeiposten. „Habt’s ihr keinen Schirmständer?“ Von ihrem blauen, mit roten Rosen gemusterten Schirm tropfte es munter auf den Boden. „Am Klo!“, sagte Gasperlmaier, worauf die Frau Doktor den Kopf schüttelte und den Schirm ebendort versorgte. „Der Schirmständer am Klo!“, kam sie zurück, immer noch kopfschüttelnd. „Wir haben“, sagte der Friedrich, „einmal einen Besoffenen da gehabt, der hat mit dem Schirmständer nach uns geworfen. Da haben wir ihn weggetan. Aus
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