Letzte Bootsfahrt
Sicherheitsgründen. Und sonst war nirgends Platz.“
Die Frau Doktor erwiderte nichts, setzte sich Gasperlmaier gegenüber in den freien Stuhl und entblößte ihre Knie, als sie die Beine übereinanderschlug. Lindgrün war heute dran. Kostüm, Strümpfe und Schuhe, und alles. Gasperlmaier sah es mit Wohlgefallen. „Ja, meine Herren!“ Sie entnahm ihrer Handtasche einen Schnellhefter und knallte ihn auf Gasperlmaiers Schreibtisch. „Neuigkeiten! Wir haben an beiden Opfern identische DNA - und Faserspuren entdeckt! Im Fall Schwaiger gab es Blut einer zweiten Person an den Glasscherben, wahrscheinlich hat sich der Täter geschnitten. Und die gleichen Spuren haben wir im Fall Breitwieser am Hals gefunden. Ein paar fremde Hautschuppen, einige Haare. Schlechte Nachricht: Die DNA haben wir nicht in der Datenbank, die Person dazu fehlt uns also noch.“
Gasperlmaier interessierte allerdings vorläufig noch ganz etwas anderes. „Wegen der Maggie …“. Er ließ seinen Satz unvollendet in der Luft hängen. „Ja. Also ich – und der Kollege Kahlß – wir haben ausgesagt, dass es genauso war, wie Sie behauptet haben – an der Schulter zurückgehalten, worauf sich die Maggie hat fallen lassen und gebrüllt hat. Ich hab’s nicht gesehen, der Friedrich auch nicht, und wir haben für Sie gelogen, dass sich die Balken biegen, weil wir Ihnen vertrauen. Die Maggie hat auch keinerlei Angaben über Verletzungen machen können, und es gibt keine Zeugen für ihre Behauptungen. Fall erledigt. Wenn Sie wollen, können Sie sie wegen übler Nachrede klagen – aber ich rate davon ab. Die Schilling-Zeitung leistet sich überaus teure und erfolgreiche Juristen und -innen. Das kostet Zeit, Nerven, und der Erfolg ist ungewiss.“ Gasperlmaier winkte ab. Nicht einmal im Traum hatte er daran gedacht, eine Klage einzubringen. Er war froh, dass die Geschichte ausgestanden und er mit einem blauen Auge davongekommen war.
Der Friedrich hatte noch immer, oder schon wieder, den Mund voll, als er undeutlich fragte: „Und wie ist das jetzt mit der Immobiliengeschichte? Bleiben wir da noch dran?“ Die Frau Doktor wechselte ihre Sitzhaltung, indem sie das rechte Bein vom linken nahm und dieses über das rechte schlug. „Schauen Sie mir nicht immer auf die Beine!“, ermahnte sie Gasperlmaier, obwohl er eigentlich mehr ins Leere gestarrt hatte, um besser nachdenken zu können. Aber er kam gar nicht zu einer Antwort, denn die Frau Doktor redete gleich weiter. „Bis jetzt haben wir keine Hinweise darauf, dass der Doktor Schwaiger in Immobiliengeschäfte hier im Ausseerland involviert gewesen wäre. Natürlich können wir das auch nicht definitiv ausschließen. Draußen ist jedenfalls der Avalon-Kreis. Ich bin mir sicher, dass der Doktor Schwaiger nicht das Geringste mit denen zu tun hatte, und somit fällt jedes Motiv seitens der Lichtjüngerinnen für einen Mord an ihm weg.“ Das tat Gasperlmaier leid. Die seltsamen Weißgekleideten beim Avalon-Kreis, die hätte er gern als Täter oder von ihm aus auch Täterinnen gesehen und konnte sie sich auch gut dabei vorstellen. Daraus wurde nun anscheinend nichts.
„Wahrscheinlich aber müssen wir uns völlig neu orientieren, wie ich schon am Samstag gesagt habe. Der Täter will uns vorführen, dass er beide Opfer im Zusammenhang mit ihrer sexuellen Aktivität ermordet hat. Da muss irgendwas vorgefallen sein, in das beide involviert waren. Das Schwierige daran ist: Der Doktor Schwaiger hat sich kaum in dieser Gegend aufgehalten in den letzten Jahren, der Ferdinand Breitwieser dagegen ständig. Und damit kommen wir zu Ihnen, Gasperlmaier.“ Der schrak aus seinen Gedanken jäh hoch. Wieso zu ihm? „Ihre Mutter ist der Anknüpfungspunkt, der am nächsten liegt. Sie ist eine Verbindung zwischen den beiden Mordopfern, denn sie hat alle beide gekannt. Seit ihrer Jugend. Und deswegen gehen wir heute zum Begräbnis des Ferdinand Breitwieser. Denn da treffen wir Ihre Mutter und alles, was sonst noch aus der Generation am Leben ist. Vielleicht ist unser Täter ja auch dabei, würde mich nicht wundern.“
Gasperlmaier konnte der Idee wenig abgewinnen. Draußen regnete und stürmte es, dass die Tropfen fast waagrecht gegen die Fensterscheibe klatschten. Fast genauso wie beim Begräbnis der Voglreiter Friedl. Er hatte wenig Lust, heute schon wieder am Friedhof zu stehen. Und das wahrscheinlich noch mit der Mutter am Arm, der zwar der Ferdinand Breitwieser überhaupt nicht abging, die aber trotzdem bittere
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