Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
Vom Netzwerk:
hatte sich Gasperlmaier noch keine Gedanken gemacht. „Vielleicht, weil’s besser klingt. Oder weil sie halt nicht an Gott glaubt.“ „Bei uns herinnen hat man immer ‚Grüß Gott‘ gesagt!“, wiedersprach die Mutter ein wenig entrüstet. „Da muss man ja nicht religiös sein. Die soll bloß nicht so tun, das ist so eine Art bei den eingebildeten Stadtleuten. Und hast die Schuhe gesehen? Solche Absätze, die tragt man doch nicht zu einem Begräbnis. Höchstens in der Disco, oder so!“
    Gasperlmaier konnte sich nicht erklären, warum sich die Mutter plötzlich so über die Frau Doktor aufregte. Er versuchte sie zu verteidigen. „Mama, die ist halt aus der Stadt, da rennt man nicht die ganze Zeit in der Lederhose und im Dirndl umeinander. Sie schaut doch eh sehr gepflegt aus, finde ich!“ Die Mutter war weiterhin verschnupft. „So genau brauchst du sie dir gar nicht anschauen, hast eh selber eine fesche Frau daheim!“ Fast, so fand Gasperlmaier, konnte man das jetzt schon als Keifen bezeichnen, was die Mutter tat. Widerspruch war jetzt nicht sinnvoll. Er würde den Mund halten, bis sie im Wirtshaus saßen, dann würde sich die Mutter schon wieder beruhigen.
    Beim Wirt tat Gasperlmaier, was er sich vorgenommen hatte, und bestellte sich einen Lupitscher. Die Mutter begnügte sich mit abschätzigen Blicken und einem Tee, sagte aber nichts. Der Manzenreiter Sepp kam mit einem Mann zu ihnen an den Tisch, der gleich groß, aber nur halb so breit war wie er. „Schad, dass wir uns schon wieder bei einer Leich treffen müssen, Gretl!“, schnaufte er, denn er war, vermutlich seiner Leibesfülle wegen, ein wenig kurzatmig. Eigentlich war er so dick, dass er überhaupt nicht mehr am Leben hätte sein dürfen. Zumindest, wenn das zutraf, was seine Christine immer behauptete. Übergewicht, Diabetes, Herzinfarkt, Beinamputation, und aus. Vor siebzig. Deswegen schaute die Christine immer darauf, dass sich Gasperlmaier halbwegs gesund ernährte. Zum Glück hatte sie gegen Bier nichts einzuwenden, das enthalte wenigstens kein Fett, dafür aber Mineralstoffe, die der Körper dringend brauche. Gasperlmaier fand das in Ordnung.
    „Grüß dich, Pauli!“, sagte die Mutter zu dem Dünneren der beiden. Den kannte sogar Gasperlmaier. Jeder im Ort kannte den Lukas Pauli, der fast jeden Tag auf den Loser hinaufstieg. Und zwar vom Ort herunten, von Altaussee, nicht etwa vom Ende der Straße, die auf den Berg hinaufführte. Mehr als tausend Mal war der Pauli schon auf dem Gipfel gewesen, sagte man. Und obwohl er schon über siebzig war, hieß es, dass er nicht auf den Loser stieg, sondern rannte. Und das nicht nur im Sommer und im Herbst, sondern auch im Winter und im Frühjahr, wenn oft meterhoch der Schnee lag. Der Pauli erinnerte Gasperlmaier an die ostafrikanischen Langstreckenläufer, die man oft im Fernsehen sah. Genauso ausgezehrt war er, aber geschadet hatte ihm die Bergsteigerei offenbar bisher nicht. „Bist heute schon auf dem Loser gewesen?“, fragte Gasperlmaier. „Freilich!“, antwortete der und rieb sich die Hände. „Um sechse bin ich hinauf, und um halb elfe war ich wieder herunten! Der Skiabfahrt nach geht’s ja schnell! Ein Bier, bitte!“ Der Pauli, so dachte Gasperlmaier bei sich, hatte sich sein Bier wenigstens verdient. Der würde wahrscheinlich hundert Jahre alt werden, wenn er nicht einmal vom Loser herunterfiel.
    Während der Suppe kam das Gespräch auf die drei so kürzlich und knapp hintereinander Verstorbenen. „Wie die Fliegen sterben sie!“, sagte der Pauli. „Weil sie so ungesund leben!“ Die Mutter schüttelte den Kopf. „Red doch nicht so einen Unsinn, Pauli. Die Friedl, die ist vielleicht nur an ihrem Kummer gestorben. Und bei den beiden anderen, da hat jemand kräftig nachgeholfen, das weißt doch sogar du. Die hätten noch ein paar schöne Jahre vor sich gehabt.“ Gasperlmaier warf einen Blick zum nächsten Tisch, wo die Frau Doktor einen Platz gefunden hatte, der ihr einen Blick auf die Gruppe um Gasperlmaier erlaubte. Der Friedrich saß neben ihr und war gerade dabei, die riesige Konduktsemmel in Stücke zu reißen und in die Suppe einzutunken. Sein Schlürfen hörte man sogar noch an Gasperlmaiers Tisch.
    „Ich hoff nur“, schnaufte der Sepp, „dass ihr den Hundling bald erwischt, der die beiden umgebracht hat. So eine Sauerei, auf alte Menschen loszugehen, die niemandem was getan haben!“ „Wer weiß“, sagte Gasperlmaier, „vielleicht ist es ein Serienmörder, der es auf

Weitere Kostenlose Bücher