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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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alte Männer abgesehen hat. Vielleicht ist einer von euch beiden schon der nächste!“ Die Mutter versetzte ihm einen Stoß in die Rippen, während der Pauli nur hinter seinem Bierglas kicherte. Der Sepp hingegen lief rot an, fast meinte man, die Augen würden ihm aus dem Kopf herausquellen. Heftig würgte er an dem Bissen, den er gerade im Mund hatte. „Wie kommst denn darauf?“, stieß er atemlos hervor. „Wer sollte uns denn umbringen wollen? Und warum?“ „Ich weiß nicht“, sagte die Mutter, „manchmal redest du so einen Blödsinn, da schämt man sich direkt mit dir.“ Gasperlmaier aber nahm gut gelaunt einen großen Schluck Bier. Immerhin war die Reaktion der beiden Männer interessant gewesen. Während der Pauli völlig ungerührt geblieben war, hatte seine Bemerkung den Sepp ordentlich aus der Fassung gebracht. Darüber würde er der Frau Doktor danach jedenfalls Bericht erstatten. „Bringst mir einen Schnaps!“, keuchte der Sepp zur Bedienung, „aber einen großen!“ Er schaufelte trotz der Aufregung das Rindfleisch in atemberaubendem Tempo in sich hinein. Gasperlmaier fragte sich, wie er so viel in so kurzer Zeit in seinem Magen unterbringen konnte. Nervös schaute der Sepp zwischendurch immer wieder auf die Uhr. Irgendwas, so sagte sich Gasperlmaier, stimmte mit dem nicht.
    Nach dem zweiten Bier breitete sich wohlige Wärme bis in Gasperlmaiers Zehen aus, und seine Aufmerksamkeit ließ nach. Der Sepp hatte sich auch wieder beruhigt, und der Pauli erzählte gerade, wie viel Schnee noch auf dem Loser oben lag. „Warum rennst denn eigentlich jeden Tag hinauf?“, fragte die Mutter. „Du kennst ja eh schon jeden Stein da oben!“ „Weil ich auffi muss!“, antwortete der Pauli. „Ich brauch die frische Luft! Und die Freiheit! Und für die Gesundheit! Ich renn dem Tod davon!“ Ein seltsamer Kerl war das schon, dachte Gasperlmaier bei sich. Ein jeder Satz war bei ihm ein Ausruf. Dass er ein wenig Freiheit brauchte, wollte Gasperlmaier allerdings gern glauben. Die Frau vom Pauli genoss den Ruf, recht streng und unnachgiebig mit ihm zu sein, und so floh er halt beinahe jeden Tag auf den Berg. Gasperlmaier machte sich Gedanken, was er selbst in der Pension tun würde. Eigentlich hatte er nichts, womit er sich den ganzen Tag beschäftigen wollte. Aber bis dahin war es ohnehin noch lang.
    Gasperlmaier trank sein Bier aus. „Ich muss wieder in den Dienst, Mama! Kommst du eh allein nach Haus?“ Die Mutter sah ihn strafend an. „Seit dein Vater tot ist, Franz, komm ich überall allein hin!“ Gasperlmaier nickte nur ergeben und schüttelte auch den anderen beiden die Hände. Als er seinen Platz verließ, sah er, dass der Friedrich und die Frau Doktor schon gegangen waren.
    Die Frau Doktor kam gerade aus dem Klo, als Gasperlmaier auf dem Posten eintraf. „Schirm!“, sagte sie nur, auf die Klotür deutend. „Überlegen Sie sich einmal, ob man für den Schirmständer nicht doch noch ein besseres Plätzchen finden könnte. Schließlich kann sich ja ein Besoffener auch einen Sessel schnappen, um ihn nach euch zu werfen. Und da werdet ihr ja auch nicht gleich die Sessel in den Abort stellen, oder?“ Gott sei Dank lächelte sie dabei, sodass Gasperlmaier von der Mühe einer Antwort absehen konnte. Stattdessen lächelte er verlegen zurück.
    „Wer war denn der schlanke Herr, der Ihnen und Ihrer Mutter gegenüber gesessen ist? Der neben dem Manzenreiter?“, wollte die Frau Doktor wissen, nachdem sie sich an Gasperlmaiers Schreibtisch niedergelassen hatten. „Das war der Lukas Pauli“, erklärte Gasperlmaier. Da er keine Anstalten machte weiterzusprechen, sprang der Friedrich ein, um der Frau Doktor zu erklären, dass der Pauli in Altaussee wegen seiner zahlreichen Loserbesteigungen einen legendären Ruf genoss. „Heute war er auch schon oben!“, warf Gasperlmaier ein. „Bei diesem Sauwetter?“, fragte die Frau Doktor. „Und da oben liegt ja sicher noch haufenweise Schnee!“ „Das macht dem Pauli nichts, der ist das gewöhnt“, antwortete der Friedrich. „Und was genau hat der jetzt mit Ihrer Mutter zu tun?“, wandte sie sich an Gasperlmaier. „Anscheinend ist der auch mit denen allen in die Schule gegangen, vielleicht ein oder zwei Jahre drüber oder drunter“, antwortete der, „da müssten wir die Mutter fragen.“ „Und der Manzen­reiter, was wissen wir über den?“ Wieder schaltete sich der Friedrich ein, der ja, was die Vorgänge in Altaussee, Bad Aussee, Grundlsee und darüber

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