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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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ein.
    „Können Sie sich nicht vielleicht doch an irgendein Ereignis erinnern, das zumindest die drei Herren, die beiden Opfer und den Manzenreiter Sepp, verbindet?“ Eine ganze Weile zog sich das Gespräch jetzt schon dahin, und die Mutter gab sich reserviert bis ausweichend. Immer wieder hatte sie Blicke auf die Stöckelschuhe der Frau Doktor geworfen und dann zu Gasperlmaier hingeschaut, irgendwie vorwurfsvoll, wie er fand. So, als ob er etwas dafür konnte, dass die Schuhe der Frau Doktor der Mutter nicht gefielen. Wieder schüttelte diese den Kopf. „Ich hab Ihnen ja eh schon gesagt, dass die drei sich zwar gekannt haben. Ich und die Voglreiter Friedl haben sie auch gekannt, und die Mali auch. Natürlich sind wir uns beim Fortgehen manchmal begegnet, natürlich ist man das eine oder andere Mal am gleichen Tisch gesessen. Aber ob die drei dicke Freunde waren, das kann ich Ihnen wirklich nicht beantworten.“
    „Und Sie selber, würden Sie sagen, dass Sie mit einem oder mehreren von diesen Leuten befreundet waren?“ Die Mutter seufzte. Gasperlmaier fiel auf, dass sie weder ihm noch der Frau Doktor etwas zu trinken angeboten hatte. „Was heißt schon befreundet! Mit der Voglreiter Friedl, da war ich eigentlich ein Leben lang befreundet. Obwohl die nie viel aus sich herausgelassen hat, privat, mein ich.“
    „Und wer ist eigentlich diese Mali?“, hakte die Frau Doktor nach. „Da fragen Sie am besten den da!“ Sie zeigte auf Gasperlmaier, der zusammenzuckte. „Die Mali war nämlich seine Lehrerin in der Volksschule.“ Gasperlmaier erinnerte sich noch mit Schrecken daran. Die Mali war für ihn die Frau Schreckeneder gewesen, und ihrem Namen entsprechend hatte sie in der Volksschule auch Schrecken verbreitet. Gasperlmaier dachte nur ungern an ihre schrille, kreissägenartige Stimme, die immer im Turnsaal zu ihrer Hochform aufgelaufen war. Wenn sie es denn bis in den Turnsaal geschafft hatten. Denn die „schreckliche Schreckeneder“, wie sie sie damals genannt hatten, hatte ja auch auf dem Weg zum Turnsaal noch mitsamt der ganzen Klasse wieder umgedreht, wenn sich irgendwer auf dem Gang gemuckst hatte. Gasperlmaier erinnerte sich auch an das Donnerwetter, das über ihn niedergegangen war, als die Blaskapelle an der Volksschule vorbeimarschiert war und er, einem Impuls folgend, dem er nicht widerstehen hatte können, ans Fenster gelaufen war, um den Aufmarsch der Salinenmusik nicht zu versäumen. Die Schreckeneder hatte so laut geschrien, dass von der Blaskapelle nichts mehr zu hören gewesen war. Eine aus seiner Sicht völlig ungerechtfertigte Betragensnote war die Folge gewesen. Der Vater war fast eine halbe Stunde lang kopfschüttelnd mit dem Zeugnis in der Hand dagesessen und hatte immer wieder gemurmelt: „Was soll nur werden aus dem Buben?“ Und wenn er einmal drei Seiten Strafaufgabe bekommen hatte, war es ihr nicht zu blöd gewesen, ihre alte Schulfreundin Gasperlmaier anzurufen, um sie zu fragen, ob der Franz die Strafaufgabe eh schon geschrieben hatte.
    „Na, dann werden wir diese Mali auch einmal aufsuchen!“ Gasperlmaier dachte, er hätte nicht richtig gehört. Er sollte zu der schrecklichen Schreckeneder hin, um einer Einvernahme beizuwohnen? Die würde die Frau Doktor auffressen, und ihn als Nachspeise gleich dazu. Gasperlmaier begann, unzusammenhängend vor sich hin zu stottern. „Das, die, wir …“ „Was ist denn mit Ihnen, Gasperlmaier?“, fragte die Frau Doktor. „Zur schrecklichen Schreckeneder?“, brachte er schließlich doch heraus und merkte, wie er am ganzen Oberkörper zu schwitzen begann. Die Frau Doktor lächelte. „Schleppen wir da am Ende ein Trauma mit uns herum, Gasperlmaier? Hat Ihnen die Frau Volksschullehrerin etwa was angetan?“ „Pah!“, mit einer wegwerfenden Handbewegung mischte sich Gretl Gasperlmaier ins Gespräch ein. „Die Wadln fürig’richt hat’s ihnen, den Rotzpippn!“ Gasperlmaier schüttelte energisch den Kopf. Schon damals hatte er seine Mutter dafür verflucht, dass sie die Unterrichtsmethoden der Schreckeneder gutgeheißen und ihn in keiner Weise unterstützt hatte. So sehr sie selbst Gasperlmaier oft verwöhnt hatte, so sehr hatte sie immer eine harte Gangart bei anderen unterstützt – wohl, um sich dafür schadlos zu halten, dass sie selbst viel zu sanft mit Gasperlmaier umgegangen war.
    „Könnte nicht der Friedrich …“, wagte Gasperlmaier noch einmal einen Versuch. „Papperlapapp!“, schnitt ihm die Frau Doktor das Wort ab.

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