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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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haute so unvermittelt auf den Tisch, dass es Gasperlmaier fast von seinem Sessel riss. „Gfraster!“, wiederholte sie. „Nichts als Saufen und Raufen und Rauchen im Kopf! Wissen Sie, die Männer da herinnen, die waren schon immer so! Die Frauen arbeiten, und die Männer rennen vom Schützen­verein zur Feuerwehr und von der Feuerwehr zum Kameradschaftsbund, und da sitzen sie jeden Tag im Wirtshaus beisammen und versaufen das Geld, das die Frauen gebraucht hätten, damit sie die Familie durchbringen. Und was sie nicht versaufen, das verlieren sie beim Kartenspielen!“ Die Frau Doktor zeigte bei der Tirade der Mali schon leichte Anzeichen von Ungeduld. So wechselte sie mehrmals kurz hintereinander die Stellung ihrer Füße. Die sahen übrigens, fand Gasperlmaier, recht nett aus. Er hatte die Zehen der Frau Doktor zuvor noch nie gesehen, und es stellte sich he­raus, dass sie wohlgeformt und sauber lackiert waren. In Grün.
    „Der Herr Doktor Schwaiger?“, bemühte sie sich, noch einmal Einzelheiten über wenigstens eines der Mordopfer herauszufinden. „Ja!“, keifte die Mali. „Den hab ich einmal gefunden, im Straßengraben, wo er mit seinem Postmoped gelegen ist. Da ist er wohl schon ins Gymnasium gegangen und hat den Sommer über als Briefträger gearbeitet. Und wahrscheinlich bei jedem Bauern den Schnaps getrunken, den sie ihm hingestellt haben. Der war fürchterlich besoffen, und angespieben hat er sich auch. Den hab ich einfach liegen lassen. Mit so einem geb ich mich ja nicht ab. Ich bin nur auf der Post vorbei und hab ihnen gesagt, wo sie ihr Moped wiederfinden können.“
    Die Frau Doktor, so stellte Gasperlmaier fest, zog die Augenbrauen hoch. Bei einem kurzen Seitenblick zu Gasperlmaier rollte sie die Augen. „Der Breitwieser Ferdinand?“, versuchte sie es noch einmal. „Der? Pfui! Das war einer von den Schlimmsten. Dem durfte man nicht allein im Finstern begegnen! Da hast du gleich seine schmutzigen Griffel unterm Rock oder in der Bluse gehabt. Bei mir natürlich nicht. Bei mir hat er gewusst, da holt er sich eine blutige Nase.“ So hässlich, dachte Gasperlmaier gehässig, wie die Mali damals war, hatte es wahrscheinlich nicht einmal des bösen Blicks bedurft, dass sich der anlassige Ferdinand Breitwieser andere Opfer für seine Geilheit gesucht hatte.
    Die Frau Doktor erhob sich. „Dann danke ich Ihnen für Ihre Zeit, Frau Schreckeneder. Und wenn Ihnen noch was Konkretes einfällt, rufen Sie mich an.“ Sie streckte der Mali eine Visitenkarte entgegen, die sie nahm, aber achtlos auf den Tisch hinwarf. „Und noch viel Spaß beim Putzen!“ Gasperlmaier erhob sich ebenfalls. „Spaß! Was glauben Sie denn! Das ist kein Spaß, die ganze Rackerei ständig! Dass man alles in Ordnung hält! Ihr jungen Leute, ja, ihr lasst alles verlottern und verludern! Die Frauen gehen, hollodero, ins Kaffeehaus und ins Büro, die Männer zu ihrem Stammtisch, und daheim wächst der Lurch unter den Betten! Bei mir aber nicht!“
    Während sie so dahinkeppelte, zogen sich Gasperlmaier und die Frau Doktor ihre Schuhe wieder an. Gasperlmaier hätte es nicht gewundert, wenn die Mali den Teppichklopfer genommen und sie bei der Tür hinausgeprügelt hätte, so in Fahrt war sie gekommen. Selbst als sich die Haustür schon geschlossen hatte, hörte man sie immer noch schimpfen.
    „Puh!“, sagte die Frau Doktor und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Die hat aber gewaltig Haare auf den Zähnen!“ „Ich hab’s Ihnen ja gleich gesagt“, antwortete Gasperlmaier. „Ich hab sie vier Jahre in der Schule aushalten müssen. Sie hat mich sogar bei den Ohren gezogen.“ Die Frau Doktor grinste. „Anscheinend an beiden gleich fest, denn sie sind immer noch gleich groß. Waren Sie auch so ein Hallodri wie die Freunde Ihrer Mutter?“ Gasperlmaier zuckte mit den Schultern. Er hatte keine große Lust, sich in dieses Thema zu vertiefen. „Aber komisch ist es schon, dass uns die Mali was erzählt, was Ihre Mutter verschwiegen hat. Haben Sie eine Erklärung dafür?“ Gasperlmaier zuckte wiederum mit den Schultern. Er glaubte das ganze Gefasel der Mali nicht recht, schließlich hatte sie überhaupt nichts Konkretes zu sagen gehabt. Und auf seine Mutter wollte er auch nichts kommen lassen. „Vielleicht phantasiert sie sich da was zusammen“, sagte er deshalb. Die Frau Doktor stieg ins Auto und wartete, bis er neben ihr saß. „Glaub ich nicht. Das Verschwinden der Friedl Voglreiter hat sie ja doch sehr konkret

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