Letzte Bootsfahrt
geschildert. Das andere waren wohl nur pauschale Rundumschläge. Da haben Sie recht. Fahren wir noch einmal zu Ihrer Mutter.“
Gasperlmaier war das gar nicht recht. Er hatte gehofft, seine Mutter aus den Ermittlungen heraushalten zu können, und jetzt gingen sie quasi ständig bei ihr ein und aus. Und schon gar nicht passte es ihm, dass die Frau Doktor der Meinung war, seine Mutter habe ihnen etwas Wichtiges verschwiegen. Dicke Tropfen klatschten an die Windschutzscheibe, und es begann, der dunklen Wolken wegen, die den Himmel verdüsterten, schon zu dämmern. Gasperlmaier sah auf die Uhr. Es ging schon auf sechs zu. Er hatte Hunger und fragte sich, wie lang ihn die Frau Doktor heute noch von Befragung zu Befragung schleppen wollte.
Als sie vor Gretl Gasperlmaiers Haus anhielten, blieb er im Hintergrund. Schließlich war es nicht seine Idee gewesen, noch einmal hierherzufahren. Als die Mutter die Tür öffnete, konnte man ihr ansehen, dass sie keine rechte Freude mit dem späten Besuch hatte. „Schon wieder?“, fragte sie. „Ich hab mir gerade eine Jause hergerichtet.“ „Nur ganz kurz, Frau Gasperlmaier. Dürfen wir eintreten?“ Die Mutter ging voraus in die Stube, wo auf dem Tisch ein Teller mit Quargelbutter stand. Schon als Gasperlmaier noch ein Kind gewesen war, hatten seine Eltern gerne Quargel- und Butterwürfel gemischt und zur Jause gegessen. Es roch auch dementsprechend, Quargel zählte ja nicht gerade zu den Käsesorten, die sich durch dezenten Geruch auszeichneten. Neben dem Teller stand ein Schneidbrett mit einem Stück Bauerngeselchtem, daneben im Brotkorb lag ein Viertellaib.
Die Mutter setzte sich. „Wollt’s was mitjausnen?“ Gasperlmaier nickte begeistert, zog den Korb zu sich her und schnitt sich ein nicht zu dünnes Stück vom frischen Brot ab. Die Frau Doktor maß ihn mit zurückhaltenden Blicken. „Ich möcht Sie nicht ärgern, Frau Gasperlmaier, aber ich bin nicht gerade ein Fan von diesem Käse, und auch Geräuchertes ess ich nicht so gern.“
Gretl Gasperlmaier stand auf und verschwand. Gasperlmaier hörte ihre Schritte auf der Kellerstiege. Wahrscheinlich, so dachte er, holte sie jetzt ein Bier für ihn. Er schnitt sich eine Scheibe Geselchtes ab und legte sie aufs Brot. Als er mit vollem Mund kauend dasaß, merkte er, dass die Frau Doktor bereits ärgerlich mit dem Fuß wippte. „Das war jetzt nicht so geplant, dass wir uns da häuslich niederlassen. Es geht ja nur um ein paar konkrete Fragen.“ Gasperlmaier bemühte sich, das Geselchte gut durchzukauen, um nach dem Hinunterschlucken zu antworten. „Ich wollt nur die Mutter nicht beleidigen“, verteidigte er sich. „Wenn sie schon was hinstellt …“ Die Frau Doktor zog die Augenbrauen hoch. „Mutterkomplex?“ Fast hätte sich Gasperlmaier verschluckt, doch wurde ihre Unterhaltung unterbrochen, als Gretl Gasperlmaier wieder in die Stube trat. Mit zwei Bierflaschen.
„Aber ein Bier trinken S’ schon mit uns!“ Ein wenig heftig, wie Gasperlmaier fand, stellte sie die Flasche vor die Frau Doktor hin. „Mögen S’ vielleicht ein Butterbrot?“ Fast ein wenig eingeschüchtert klang die Frau Doktor, als sie nun doch „Bitte, gern!“ sagte. Die Mutter verschwand wieder, kehrte aber nach ein paar Sekunden schon wieder mit Teller, Messer und Butter zurück. Sogar einen Salzstreuer hatte sie mitgebracht. „Weil’s ja sonst doch ein wenig fad schmeckt!“, lächelte sie. Gasperlmaier staunte. Das schien ihm so etwas wie ein Friedensangebot zu sein.
Während die Frau Doktor ihr Brot schmierte, schoss sie gleich ihre erste Frage ab. „Frau Gasperlmaier, die Mali Schreckeneder hat uns da was erzählt, dass die Friedl Voglreiter damals, als Sie beide Jugendliche waren, einmal für ein paar Wochen verschwunden ist. Und dass sie dann sehr verschlossen war, als sie zurückgekommen ist, und nicht mehr mit den anderen fortgehen wollte.“ Die Mutter zögerte kurz, Gasperlmaier konnte spüren, wie sich ihre Haltung versteifte. Sie legte Messer und Gabel beiseite. „Da muss sich die Mali irren!“, sagte sie scharf, mit dennoch etwas zittriger Stimme. „An so was kann ich mich überhaupt nicht erinnern.“ Sie strich sich eine Gabel voll Quargelbutter auf ihr Brot und biss ein großes Stück ab, wie zum Zeichen, dass sie nichts mehr zu sagen hatte.
„Wie erklären Sie sich dann, dass die Frau Schreckeneder so etwas behauptet?“, bohrte die Frau Doktor nach. Die Mutter ließ sich Zeit mit der Antwort. Gasperlmaier schnitt
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