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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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des Hauses. Ich hatte keine andere Wahl, als mich zu ihnen zu gesellen. Ich fühlte mich wie eine Gefangene und machte eine vorübergehende Klaustrophobie durch, die so ausgeprägt war, daß meine Haut zu jucken begann.

1 6

    Das Haus von Rays Mutter lag auf einem schmalen Grundstück in einer ausnahmslos von Einfamilienhäusern gesäumten Straße. Es war ein zweistöckiges Gebäude aus rotem Backstein mit einem ebenfalls aus rotem Backstein errichteten einstöckigen Anbau, der vorn herausragte. Die beiden schmalen Vorderfenster saßen dicht nebeneinander, waren mit einbruchsicheren Gittern versehen und schlossen mit identischen Fensterstürzen ab. Drei Betonstufen führten zur Tür hinauf, die bündig mit dem Haus abschloß und von einem kleinen Holzdach geschützt wurde. Auf der rechten Seite des Hauses konnte ich am Ende eines kurzen Weges einen zweiten Eingang erkennen. Das Haus nebenan war eine Art Zwilling, da es sich lediglich durch das Fehlen der Verandaüberdachung unterschied, womit seine Haustür den Elementen ausgesetzt blieb.
    Ray ging auf den Seiteneingang zu, während Laura und ich wie Entenküken hinterhertappten. Die Luft zwischen den beiden Häusern wirkte eisig. Ich verschränkte die Arme, um mich warm zu halten, und trat ruhelos von einem Fuß auf den anderen, da ich es kaum abwarten konnte, in einen geschlossenen Raum zu kommen. Ray klopfte gegen die Tür, auf deren Glaseinsatz ein Ziergitter angebracht war. Durch das Fenster konnte ich aus einem Raum auf der linken Seite helles Licht strahlen sehen, doch war keinerlei Bewegung zu sehen. Beiläufig sprach mich Ray über die Schulter an. »Diese Häuser nennt man >Flintenhäuschen<, da sie ein Zimmer tief und vier Zimmer breit sind und man so an der Vordertür stehen und eine Kugel durchs gesamte Haus feuern konnte.« Er wies nach oben zum ersten Stock. »Das von meiner Mutter nennt man Buckelhäuschen, da es noch ein zweites Schlafzimmer über der Küche hat. Mein Urgroßvater hat diese beiden Häuser 1880 gebaut.«
    »Sieht ganz danach aus«, bemerkte Laura.
    Er drohte ihr mit dem Finger. »He, paß bloß auf. Ich will nicht, daß du Grandmas Gefühle verletzt.«
    »Oh, natürlich. Als ob ich mich allen Ernstes hinstellen und ihr Haus beleidigen würde. Mein Gott, Ray. Trau mir wenigstens ein bißchen Intelligenz zu.«
    »Was ist nur mit dir los? Du bist so ein bescheuertes Opfer«, sagte er.
    Im Haus ging ein zweites Licht an. Laura verkniff sich die scharfe Bemerkung, die sie ihrem Vater an den Kopf werfen wollte. Der Vorhang wurde zur Seite gezogen, und eine ältere Frau äugte heraus. Aufgrund des fehlenden Gebisses war ihr Mund eingefallen und hatte sich nach innen gerollt. Sie war klein und stämmig, hatte ein weiches, rundes Gesicht und trug ihr weißes Haar stramm zu einem festen Knoten zusammengebunden, den sie mit Gummibändern umwickelt hatte. Sie blinzelte durch eine Nickelbrille mit starken Gläsern. »Was wollen Sie?« brüllte sie uns durch das Glas entgegen.
    Ray erhob die Stimme. »Ma, ich bin’s, Ray.«
    Sie brauchte ein paar Sekunden, um diese Information zu verarbeiten. Ihre Verwirrung legte sich, und sie fuhr sich mit ihren schwieligen Händen an den Mund. Dann begann sie sich an den Schlössern zu schaffen zu machen — Sicherheitsschloß, Riegel und Vorlegekette — und drehte zum Schluß einen alten Hausschlüssel um, der einiger Bearbeitung bedurfte, bevor er nachgab. Die Tür flog auf, und sie warf sich in seine Arme. »Oh, Ray«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Oh, mein Ray.«
    Ray lachte und schloß sie in die Arme, während sie wortlose, miauende Laute der Freude und der Erleichterung ausstieß. Obwohl sie drall war, war sie vermutlich nur halb so groß wie er. Sie trug eine weiße Kittelschürze über einem Baumwollkleid, das handgenäht aussah: rosafarbene Baumwolle mit einem Aufdruck aus weißen, in diagonalen Reihen angeordneten Knöpfen, die Ärmel mit pinkfarbenen Zackenlitzen besetzt. Als sie sich von ihm löste, saß ihr die Brille schief auf der Nase. Ihr Blick wanderte zu Laura, die hinter ihm auf dem Weg stand. Es war offensichtlich, daß es ihr in der trüben Welt einer Sehbehinderten schwerfiel, Gesichter zu unterscheiden. »Wer ist das?« fragte sie.
    »Ich bin’s, Grandma. Laura. Und das ist Kinsey. Wir haben sie von Dallas mitgenommen. Wie geht es dir?«
    »Oh, meine Sterne. Laura! Mein Liebes. Ich kann es gar nicht glauben. Das ist ja herrlich. Ich freue mich so, euch zu sehen. Seht euch bloß

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