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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ihm nicht antun. Wir haben nur großspurige Märchen verzapft. Später haben Hays und ich uns verkracht. Vermutlich hat er sich eingebildet, er könnte sich ein Bündel Bares schnappen, und ich käme nie dahinter.«
    »Sie haben ihm verraten, wo Johnny wohnt?«
    »Ich habe nur Kalifornien gesagt. Er muß mir quer durchs Land gefolgt sein, dieser schleimige Drecksack.«
    »Woher hat er gewußt, daß Sie draußen sind?«
    »Also, das weiß ich wirklich nicht. Vielleicht hat er mit meinem Bewährungshelfer gesprochen. Ich erinnere mich dunkel, daß ich ihn einmal bedroht habe. Vermutlich hat er ihm erzählt, daß er Angst davor hätte, ich sei hinter ihm her. Was ich immer noch tun könnte.«
    »Wie haben Sie herausgefunden, daß er es war?«
    »Zuerst wußte ich es ja gar nicht. Sowie ich von dem Einbruch erfuhr, merkte ich, daß etwas faul war, aber ich habe nicht an Hays gedacht. Dann wurde mir klar, was passiert war, und daß er es gewesen sein mußte. Andere Möglichkeiten kamen einfach nicht in Frage, weil ich nie jemand anderem gegenüber ein Wort über Johnny habe verlauten lassen.« Ray nahm die Serviette von seiner blutenden Lippe. »Wie sieht’s aus?«
    »Tja, das Blut strömt nicht gerade«, sagte ich. »Können wir ein bißchen zurückgehen? Als Sie erfahren haben, daß Johnny tot ist, warum waren Sie sich da so sicher, daß er immer noch irgendwo Geld versteckt hatte?«
    »Ich war mir nicht sicher, aber es lag auf der Hand. Wenn ein Typ mit einem Herzinfarkt tot umfällt, hat er keine Zeit mehr, irgend etwas zu unterrjehmen. Als ich mit Bucky gesprochen habe, habe ich herausgefunden, daß der Junge keinen Cent hat, also ist das Geld, falls es überhaupt existiert, wahrscheinlich noch irgendwo auf dem Anwesen versteckt. Ich denke mir, wenn ich Johnnys Wohnung miete, kann ich mich in aller Ruhe umsehen.«
    »Und in der Zwischenzeit haben Sie Bucky kein Wort von alledem erzählt.«
    »Von dem Geld? Selbstverständlich nicht. Wissen Sie, warum? Angenommen, ich liege falsch. Warum soll ich ihnen Hoffnungen machen, wenn gar nichts da ist? Wenn ich Geld finde, kann ich sie um einen Anteil bitten.«
    »Oh, sicher. Es handelt sich um Geld, von dem sie gar nichts wissen, und Sie wollen mir erzählen, daß Sie es ihnen geben würden?«
    Er lächelte schüchtern. »Vielleicht würde ich einen kleinen Prozentsatz abschöpfen, aber wem täte das weh? Sie bekommen immer noch mehr, als sie sich je erhoffen konnten.«
    »Und in der Zwischenzeit ist Ihnen dieser frühere Zellengenosse bis zu Johnnys Türschwelle gefolgt?«
    »Das nehme ich an.«
    »Woher wußte er von der Sockelleiste?«
    Ray hielt seine verletzte Hand in die Höhe. »Weil ich es ihm gesagt habe. Sonst hätte er mir jeden Knochen in der Hand gebrochen. Er war mir gegenüber im Vorteil, weil ich ihn nicht erwartet hatte. Das nächste Mal weiß ich Bescheid, und das wird einer von uns nicht überleben.«
    »Woher wußten Sie von der Sockelleiste?«
    Ray tippte sich an die Schläfe. »Ich weiß, wie Johnnys Kopf funktioniert hat. An dem Tag, als ich hier aufgetaucht bin und Sie seine Bücher durchsucht haben? Da habe ich eine kleine Inspektion vorgenommen. Er hatte zuvor schon einmal eine Sockelleiste benutzt — nämlich seinerzeit — , und so habe ich mir gedacht, daß ich es zuerst damit versuchen würde.« Er rutschte auf seinem Stuhl herum. »Sie glauben mir nicht. Das sehe ich an Ihrem Blick.«
    Ich lächelte verhalten. »Sie sind ein sehr raffinierter Mann. Sie lügen mindestens so gut wie ich, nur daß Sie schon mehr Übung haben.«
    Er wollte etwas sagen, doch die Bedienung war mit zwei dampfenden Tellern auf einem Tablett zurückgekehrt. Sie sah mehr als erledigt aus. Sie stellte Saft, zwei Portionen gebutterten Toast und eine Auswahl Marmelade auf den Tisch. Dann holte sie zwei kleine Papierpäckchen aus der Tasche ihrer Uniform und legte sie neben seinen Teller. »Ich hab’ Ihnen die mitgebracht«, sagte sie.
    Ray nahm eines der Päckchen in die Hand. »Was ist Midol?«
    »Gegen Krämpfe, aber es hilft bei allem, was einen plagt. Nehmen Sie nur nicht zu viele. Sonst bekommen Sie PMS.«
    »PMS?« sagte er verständnislos.
    Keine von uns antwortete. Sollte er es selbst herausfinden. Sie füllte unsere Kaffeetassen auf und ging zum nächsten Tisch weiter, während sie ihren Bestellblock herauszog. Ray öffnete eines der Papierpäckchen und schluckte mit seinem Orangensaft zwei Tabletten. Wir verbrachten eine kurze, intensive Phase damit, Nahrung

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