Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
beschäftigten. Ein paar von den Mädels saßen auf dem Fußboden und benutzten ihr Gepäck als Rückenlehne. Einem Jungen wurde gegen seinen Willen das T-Shirt ausgezogen und er war gerade dabei, mit zwei Teamkameraden zu ringen, um es zurückzuerobern. Das Lachen hatte einen nervösen Unterton. Ehrlich, die Jungs erinnerten mich an Welpen, die mit einer alten Socke Tauziehen spielten. Die aufsichtsführenden Erwachsenen schienen all das ungerührt hinzunehmen und hofften wahrscheinlich, daß die Kids erschöpft wären, wenn sie endlich im Bus säßen.
    Ich ging an ihnen vorbei zu den Aufzügen und drückte den »Aufwärts«-Knopf. Die Aufzugstüren öffneten sich, ich stieg ein und warf noch einen Blick über die Schulter durch die Hotelhalle, um zu sehen, ob Gilbert in Sicht war. Ein silberner Trailways-Bus fuhr gerade mit brummendem Motor vor dem Hotel vor, während seine Tür mit einem Blähungen nicht unähnlichen Geräusch aufging. Ich drückte auf Zwölf, und die Aufzugtüren schlossen sich.
    In Lauras Stockwerk angekommen, trabte ich den Flur entlang und klopfte bei Zimmer 1236 an. Ich murmelte vor mich hin und schnippte hektisch mit den Fingern. Komm schon, komm schon, komm schon.
    Laura öffnete die Tür und zeigte sich leicht verblüfft, als sie mich sah. »Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie wären abgereist.«
    »Wo ist Ray? Ich muß mit ihm sprechen.«
    »Er schläft. Hier bei mir. Was ist denn passiert?«
    »Ich habe Gilbert am Flughafen gesehen. Er ist mit einer Pistole auf dem Weg hierher. Holen Sie Ray, schnappen Sie sich Ihre Sachen und dann nichts wie weg hier.«
    »O nein.« Sie erbleichte angesichts dieser Neuigkeit und fuhr sich mit der Hand an den Mund.
    »Was ist denn los?« fragte Ray hinter ihr. Er war bereits auf den Beinen und stopfte beim Näherkommen sein Hemd in die Hose. Ich betrat den Raum und Laura schloß die Tür hinter mir. Sie lehnte sich gegen die Wand und schloß für einen Moment entsetzt die Augen. Ich schob die Sicherheitskette in die Schiene.
    Dann sagte ich: »Los.«
    Das Wort versetzte sie offenbar in Bewegung. Laura ging an den Wandschrank und zerrte ihren Regenmantel und den Matchsack heraus.
    »Was soll denn das?« fragte Ray und blickte von einer zur anderen.
    »Sie hat Gilbert gesehen. Er hat eine Pistole und ist unterwegs hierher. Sie hätten anrufen sollen, anstatt den ganzen Weg zurückzufahren«, sagte sie vorwurfsvoll. Sie zog den Reißverschluß ihres Matchsackes auf und begann, Kosmetikartikel von der Abstellfläche in die Tasche zu fegen.
    »Ich habe angerufen. Es war besetzt.«
    »Ich habe mit dem Zimmerservice telefoniert. Wir mußten etwas essen«, sagte sie.
    »Ladies, würdet ihr bitte das Streiten aufhören und euch beeilen!«
    »Tu ich doch!« Sie fing an, Nachthemd, Pantoffeln und schmutzige Unterwäsche aufzusammeln. Ihr Jeanskleid hatte sie über eine Stuhllehne gehängt und nun griff sie danach und hielt es sich gegen die Brust, damit sie es zuerst zweimal längs und dann noch einmal quer falten konnte. Ray nahm es ihr weg, rollte es zu einer Kugel zusammen und stopfte es in den Matchsack, den er anschließend zumachte.
    Ich sah seine beiden Koffer links von der Tür aufeinander stehen. Ich schnappte mir den kleineren und sah ihm dabei zu, wie er den anderen nahm. »Nehmen Sie nur das Nötigste mit und lassen Sie den Rest liegen«, sagte ich. »Haben Sie ein Auto?«
    »Draußen auf dem Parkplatz.«
    »Kommt Gilbert eher mit dem Aufzug nach oben oder über die Treppe?«
    »Wer weiß?«
    Ich sagte: »Passen Sie auf. Ich finde, Sie beide sollten hinten herum gehen. Gilbert wird mit Sicherheit dadurch Zeit verlieren, daß er hier oben an die Tür klopft. Womöglich versucht er es auch an Rays Zimmer, wenn er auf die Idee kommt, daß Sie hier sind. Geben Sie mir die Autoschlüssel und sagen Sie mir, wo Sie geparkt haben.«
    »Was sollen wir in der Zwischenzeit tun?« fragte Laura.
    »Warten Sie draußen bei diesem unechten steinernen Turm neben der Einfahrt auf mich. Ich komme mit dem Auto vorbei und hole Sie dort ab. Er kennt mich nicht; wenn wir uns also in der Halle begegnen sollten, wird ihm nichts auffallen.«
    Ray gab mir eine rasche Beschreibung des Wagens und nannte mir dessen ungefähren Standort. Auf dem Plastikanhänger am Schlüssel stand die Autonummer und so war ich mir ziemlich sicher, daß ich den Wagen ohne Probleme finden würde. Ich reichte Ray seinen Koffer, während Laura sich rasch im Zimmer umsah, um sich zu vergewissern,

Weitere Kostenlose Bücher