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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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ausstieg und auf den Eingang zuging, blieb Kieffer zunächst einige Sekunden sitzen. Dann fluchte er leise und folgte ihm. Außer dem Haus, vor dem sie den Wagen abgestellt hatten, befanden sich in der Straße fast nur heruntergekommene Bürogebäude aus den Achtzigern, nirgends war ein Mensch zu sehen. Kats drehte sich zu ihm um. In der Hand hielt er eine weiße Keycard.
    »Ist die für den Eingang?«, fragte Kieffer. »Woher stammt die?«
    »Das ist eine Reproduktion der Keycard, die Aron Ihrer Freundin gegeben hat.« Kats grinste schelmisch. »Ich muss leider sagen, dass es um die Datensicherheit des Guide Gabin nicht sehr gut bestellt ist. Ich war nach nicht einmal einer Stunde drin. Ich würde Ihnen übrigens raten, bald wieder ins ›Corioli‹ zu gehen«, fügte der Hacker hinzu.
    Das »Corioli« war ein Edelitaliener in Grund, nur wenige Schritte von Kieffers Wohnhaus entfernt. Das Lokal besaß bereits zwei Sterne und galt seit Jahren als Anwärter auf einen dritten.
    »Warum?«
    »Weil es dort nach der Veröffentlichung des neuen Guide Bleu sehr voll werden wird«, antwortete Kats. »Keine Sorge, ich werde keine Daten aus dem Gabin ins Netz stellen, ich habe mir lediglich eine kleine Privatkopie gemacht. Aber das nur am Rande. Kommen Sie, jetzt zeige ich Ihnen das Vermächtnis meines Bruders.«
    Das Schloss klackte vernehmlich, als Kats die Karte an das Lesegerät hielt. Als sie die Tür öffneten, flackerte das Oberlicht auf. Die Halle hatte vielleicht die Fläche von anderthalb Tennisplätzen. Fast der gesamte Raum war mit hohen Metallregalen vollgestellt, in denen Computerserver übereinandergestapelt waren. In der Mitte verlief ein breiter Gang, der vor einem Arbeitsplatz mit mehreren Monitoren und Kontrolltafeln endete. Kats bedeutete Kieffer, ihm zu folgen. »Ich war gestern bereits mehrere Stunden hier. Von diesem Tisch aus kann man alles steuern. Von diesem Tisch aus werde ich Melivia in den Ruin treiben und meinen Bruder rächen.«
    Efim Kats setzte sich auf den Drehstuhl vor dem Computer und drückte einige Tasten. Der Bildschirm leuchtete blau auf. Er war völlig leer, bis auf einen weiß blinkenden Cursor vor dem »TYPE ENTRY CODE« stand. Kieffer stand neben dem Amerikaner, wahrte aber einige Meter Sicherheitsabstand. Er sah, wie sich Kats’ Finger über den Zahlenblock der Tastatur bewegten.
    17. 53. 97. 613.
    Dann verharrte sein Zeigefinger eine Sekunde lang über der Eingabetaste. Er drückte sie. Der Bildschirm wurde schwarz, dann flackerte er wieder auf, und Kieffer sah die Benutzeroberfläche eines ihm unbekannten Betriebssystems.
    »Ja! Ja!«, schrie Kats. Er öffnete einige Programmfenster, schien sich einen Überblick zu verschaffen. Gebannt starrte der Hacker auf den Bildschirm, Zahlenkolonnen liefen über die Gläser seiner Brille.
    Und in diesem Moment begriff Kieffer, was ihn an Efim Kats von der ersten Minute an irritiert hatte.
    Der Mann sah seinem Bruder Aron sehr ähnlich. Er hätte ihm sogar wie ein Spiegelbild geglichen, sobald man einige Details änderte: Den kurzen Stoppelbart musste man sich wegdenken, ihm statt des Rollkragenpullis ein knallgrünes Button-down-Hemd überziehen. Ersetzte man nun noch das randlose Designergestell durch eine altmodische Nickelbrille, dann wurde Efim zu Aron. Es war diese Brille, ein etwas extravagantes Modell mit getönten Gläsern, die ihn schon viel früher hätte stutzig machen müssen. Denn Kieffer hatte diese Brille zuvor schon einmal gesehen – und zwar auf den Fotos der Überwachungskamera, die Lobato ihm auf dem Polizeirevier gezeigt hatte. Schon damals war ihm an Aron Kats etwas seltsam vorgekommen. Nun wusste er auch, was: Es war die Brille gewesen. Auf dem Überwachungsbild hatte Aron Kats statt seiner Nickelbrille genau solch ein randloses Gestell aufgehabt, wie es Efim trug.
    Kieffer musterte Efim Kats, der immer noch Kolonnen weißschimmernder Codes sichtete und ihn nicht beachtete. Der Kats auf dem Foto hatte die Rout Bréck vom Kirchbergplateau aus betreten, also von der falschen Seite – und mit der falschen Brille auf der Nase. Es war gar nicht Aron Kats gewesen. Sondern Efim. Er war seinem vor den Melivia-Männern flüchtenden Bruder von der anderen Brückenseite entgegengekommen. Aber nur einer der Brüder hatte die Brücke lebend wieder verlassen. Kieffer trat einen Schritt zurück. Seine Rechte schloss sich um den Griff der Glock.
    »Es dürfte nicht sehr schwierig für Sie gewesen sein«, sagte Kieffer.
    »Hmmm? Was

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