Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
Peilsender. Wanzen. Seit ihr uns die falsche Keycard untergejubelt habt, wusste ich immer, wo ihr seid. Aber dass du mich direkt zu diesem Arschloch hier führst, das ist dann doch mehr Glück als erwartet.«
»Er hat Aron Kats umgebracht.«
»Ja, das habe ich mir schon gedacht. Wir sind ihm schon seit etwa einer Woche auf der Spur, denn dieser Möchtegern-Internetaktivist ist nicht halb so clever, wie er glaubt. Seltsamerweise denkt alle Welt, dass wir seinen Bruder umgelegt haben. Na ja, Schwamm drüber. Und du willst jetzt bestimmt wissen, was als Nächstes passiert?«
»Sagen Sie es mir.«
»Du und diese Ratte, ihr seid hierhergefahren, das wird man später rekonstruieren. Und dann gab es ein bisschen Streit. Dabei hast du dem armen Efim mit deiner Glock, für die du vermutlich keine Papiere besitzt, das Gesicht zu Brei geschlagen, außerdem hast du ein bisschen rumgeballert. Es kam zu einem Brand. Das Notsystem saugte die Luft ab, obwohl Menschen im Gebäude waren, eine tragische Software-Fehlfunktion.«
»Damit kommen Sie nicht durch.«
»Aber ja doch. Die Rechner säubern wir natürlich und spielen irgendwelchen anderen Mist drauf. Glaubst du etwa, das ist der erste miese kleine Hacker, dem wir eine Lektion erteilen?«
»Hören Sie, ich schwöre Ihnen …«
Der Sicherheitsmann schüttelte den Kopf. Es wirkte beinahe mitfühlend. »Kein Verhandlungsspielraum. Das mit dem Vakuum ist kein schöner Tod, zugegeben. Aber so schlimm ist es dann auch wieder nicht. In Bagdad, da haben Udai und ich es immer mit durchsichtigen Müllsäcken gemacht, das dauert erstaunlich lange. Im Vakuum hingegen wirst du bereits nach zwanzig Sekunden bewusstlos. Ich weiß, wovon ich rede; ich saß schließlich die ganze Zeit da vorne hinter dem Server, mich hat es vorhin auch ausgeknockt.«
Scholz ging zu dem immer noch am Boden liegenden Kats, packte ihn und zog ihn hoch. Das Gesicht des Hackers war blutüberströmt, seine Augen fast zugeschwollen. Der Deutsche schleifte ihn zu dem Steuerungscomputer und setzte ihn auf den Bürostuhl. In der linken hielt der Melivia-Sicherheitschef nun das Sauerstoffgerät, in der Rechten eine großkalibrige Pistole. Es war dieselbe, mit der er bereits auf Valérie geschossen hatte.
»Los. Saug die Luft ab.«
Kats spuckte etwas Blut aus und röchelte: »Fick dich ins Knie, Nazischwein.«
Scholz ließ den Knauf seiner Pistole auf Kats’ Schlüsselbein niedersausen. Der Hacker heulte auf. Der Sicherheitschef wartete, bis das Schluchzen seines Opfer abebbte. Dann sagte er: »Ich war Verhörspezialist bei der NVA, und bei den Arabern hab ich meine Fähigkeiten erheblich verfeinern können. Zehn Sekunden nach Luft schnappen oder die nächsten drei Stunden in unerträglichen Schmerzen verbringen. Was wird es? Jetzt hast du noch die Wahl.«
Kats begann zu tippen. Kieffer hörte noch, wie das Tosen einsetzte und sah den Hacker vom Stuhl kippen. Ihm wurde schwindlig. Er versuchte, zum Schluss an etwas Schönes zu denken, beschwor Valéries Antlitz herauf. Doch das Frauengesicht, das ihm erschien, gehörte nicht seiner grünäugigen Pariserin, es war zu bubenhaft, zu herb. Die Augen, die ihn besorgt anblickten, waren tiefbraun, fast schwarz. Wie durch einen Schleier nahm Kieffer dieses Gesicht wahr, er überlegte, wem es wohl gehören könnte. Ein Gedanke kroch träge durch seinen vernebelten Kopf. Warum war er noch nicht ohnmächtig? Konnten zwanzig Sekunden so lange dauern? Zog sich im Moment des Todes die Zeit derart in die Länge?
Das Bubengesicht sagte etwas, aber er konnte es nicht genau verstehen. Wieso konnte er überhaupt etwas hören, im Vakuum? Kurz meinte Kieffer, die Antwort auf diese interessante Frage sei zum Greifen nahe, doch dann merkte er, wie es um ihn herum dunkel wurde. Das Letzte, was er vernahm, war die ferne Frauenstimme. Sie rief immer wieder »Fodes! Fodes! Fodes!«
29
Als er auf seinem klapprigen Peugeot-Fahrrad die Rue de la Tour Jacob hinuntersaust, weiß der Junge, dass er gleich ein bisschen aufpassen muss. Er hatte Messdienst und trägt noch die feinen Sachen, das etwas zu große, blütenweiße Hemd sowie die schwarze Bundfaltenhose. Sein Vater wäre wütend, wenn er ihn darin sähe. Er darf die gute Hose nicht zum Spielen anziehen. Und schon gar nicht, wenn er rüber ins schmuddelige Pfaffenthal radelt.
Vater ist Sousofficier der Großherzoglichen Armee und legt Wert auf Sauberkeit und Ordnung. Wenn er mit dem Jungen schimpft, weil der wieder sein Zimmer nicht
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