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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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Sankt Petersburg! Das war für einen Juden Anfang der Neunziger der Albtraum. Da patrouillierten abends noch Pamjat-Anhänger durch die Straßen, meinen Großonkel haben sie damals fast totgeschlagen. Ich wollte auf keinen Fall zurück. Also wurde ich zu Arons Schatten. Ich reiste aus, dann sofort wieder ein, aber diesmal mit seinen Papieren. Seitdem spielen wir dieses Spiel. Offiziell gab es nur noch Aron. Wenn ich verreisen wollte, wenn ich mich irgendwo ausweisen musste, dann brauchte ich seinen Pass oder seine Sozialversicherungsnummer. Immer war ich von seiner Gnade abhängig. Sie ahnen ja nicht, wie sehr er das ausgekostet hat, er wurde immer grausamer.«
    »Aber warum sind Sie trotzdem bei ihm geblieben?«
    »Wenn Sie keinen Zwillingsbruder haben, können Sie nicht verstehen, wie stark diese Ketten sind. Es ist fast unmöglich, sich davon zu befreien. Außerdem gab es eine Sache, die uns zusammenschweißte: die Wahrheit. Mithilfe von Computern zumindest einen Teil des Finanzmarktes komplett zu verstehen, das hat uns beide fasziniert, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Jeder von uns wusste, dass er dieses Ziel ohne den anderen niemals erreichen würde; ich nicht ohne Arons Genie; er nicht ohne meine Hackerkenntnisse, ohne meine kriminelle Energie.«
    »Und nun, da Sie am Ziel waren und ihn nicht mehr brauchten, haben Sie ihn von der Brücke geworfen.«
    Kats war nun auf den Beinen. Tränen strömten seine Wangen hinunter. Kieffer bemerkte, dass der Hacker seine Pistole in der Hand hielt. »Sie verstehen überhaupt nichts! Oh, ich hätte ihn leben lassen, auch wenn ich mir tausendmal gewünscht habe, er wäre tot. Aber als alles bereit war, da habe ich ihm gesagt, dass wir nun mit unserem Wissen etwas Sinnvolles tun können. Dass wir Konzerne wie Melivia zerstören können. Dafür sorgen können, dass niemand mehr mit Weizen oder Soja spekuliert, als ob es Roulettechips wären.«
    »Und Ihr Bruder?«
    »Er hat mich nur angeschaut, mit diesem eisigen Blick und gesagt: ›So etwas Törichtes werden wir sicher nicht tun, Efim Mikhail Kats. Es geht hier um Mathematik.‹« Kats zog den Schlitten der Glock zurück. »Um Mathematik. Es ging immer nur um Zahlen, nie um etwas anderes. Mir wurde klar, dass Aron nie vorgehabt hatte, Melivia oder Silverstein einen Denkzettel zu verpassen. Er wollte stattdessen unseren Master-Algorithmus nutzen, um noch mehr Geld anzuhäufen und damit noch viel leistungsfähigere Handelssysteme zu bauen, um weitere Wahrheiten zu entschlüsseln. Ich habe ihm gesagt, dass er dazu die Nahrungsmittelpreise weiter in die Höhe treiben muss. Dass er damit in Kauf nimmt, dass irgendwelche armen Schweine nichts zu fressen haben.«
    »Und was hat er geantwortet?«
    »Nichts«, sagte Efim Kats leise. Er richtete die Pistole auf Kieffer. »Jetzt wissen Sie es. Es tut mir leid, aber es gibt keine andere Möglichkeit.«
    Er zielte.
    »Oh, doch. Die gibt es«, sagte eine Stimme in abgehacktem Englisch.
    Kats fuhr herum, aber er war nicht schnell genug. Mit einem Satz sprang Scholz auf ihn zu und rammte ihm die Faust in die Magengrube. Der schmächtige Hacker hatte gegen den durchtrainierten Melivia-Sicherheitschef nicht den Hauch einer Chance. Er nahm Kats in den Schwitzkasten und entwand ihm die Glock. Dann richtete er die in seinen Pranken winzig aussehende Waffe auf sein Gegenüber und sagte: »So. Bevor wir zur Sache kommen: Darauf habe ich mich schon lange gefreut.«
    Er machte einen Schritt auf Kats zu und drosch mit der Glock auf ihn ein, fünfmal, zehnmal. Blutüberströmt fiel der Hacker zu Boden. Dann wandte sich Scholz ab und warf die Glock achtlos weg, klackernd verschwand sie unter einem der Hochregale.
    »Dass du mir hier schon wieder über den Weg läufst, Kieffer. Für so einen fetten kleinen Kartoffelbrutzler bist du ziemlich hartnäckig.«
    Kieffer war zwar froh, dass niemand mehr eine Waffe auf ihn richtete. Allerdings hatte er nicht den Eindruck, dass sich seine Situation dadurch verbessert hatte. »Wie haben Sie uns gefunden?«
    Scholz setzte sich auf die Tischkante. »Wir haben deine kleine Pariser Nutte auf dem Jahrmarkt geknipst. Aber die war in keiner Fotodatenbank. Völlig unauffindbar. Ich dachte erst, die ist vom Geheimdienst oder so was. Aber dann ist uns das T-Shirt mit der Comicfigur aufgefallen.«
    »Georges, le p’tit chef«, murmelte Kieffer.
    »Wie auch immer. Auf jeden Fall ein Unikat, und deshalb zur Quelle zurückverfolgbar. Danach war’s Routine –

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