Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
ein. »Vielleicht überlässt du den Wein eine Zeit lang deinen Gästen. Ich werde dir einen dieser Hightech-Entsafter kaufen, bei denen man das Obst nicht einmal schälen muss. Es gibt ganz tolle Fruchtcocktails, die schmecken großartig.«
»Stimmt«, antwortete Kieffer, »vor allem die mit Traubensaft«, womit er sich einen Ellenbogenknuffer einhandelte.
»Hast du inzwischen eigentlich herausbekommen, wie Lobato dich gefunden hat?«, fragte sie, als sie in Kieffers Lieferwagen Richtung Grund fuhren.
»Ja, offenbar ist Manderscheid gerissener, als ich je für möglich gehalten hätte. Er hat Nothombe, diesem Melivia-Anwalt, zwar erzählt, er werde Lobato von dem Fall abziehen. Außerdem hat er diese Show mit dem Anruf abgezogen, damit die Sache echt wirkt. In Wahrheit hat er ihr aber weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt und eine Vierundzwanzig-Stunden-Überwachung von Scholz angeordnet. Und als der mitten in der Nacht plötzlich zu diesem Bürohaus gefahren ist, hat Lobato beschlossen, zuzuschlagen. Wenn die Polizei nicht die Tür des Serverraums aufgebrochen hätte, wären Kats und ich erstickt. Für ihn«, fügte Kieffer leise hinzu, »wäre das allerdings vermutlich besser gewesen.«
Efim Kats hatte weniger Glück gehabt als er. Aufgrund der schweren Kopfverletzungen, die Scholz dem Hacker zugefügt hatte, war das Vakuum zu viel für dessen geschwächten Körper gewesen. Kats lag im Koma, aus dem er seitdem nicht mehr erwacht war; nach Einschätzung der Ärzte würde er entweder bewusstlos bleiben oder den Rest seines Lebens vor sich hin vegetieren.
»Und was passiert jetzt mit Scholz?«
»Er wird wegen zweifachen Mordversuchs angeklagt. Falls Kats sterben sollte, sogar wegen Mordes. Nothombe, Melivias Anwalt, behauptet natürlich, der Sicherheitschef habe auf eigene Rechnung gehandelt, das Unternehmen distanziere sich, und so weiter.«
»Das heißt, diese Kerle kommen davon?«, fragte sie.
»Vielleicht entgehen sie der Strafverfolgung, aber wirtschaftlich betrachtet sind sie praktisch schon tot. Scholz konnte die Computerdaten, die die Kats-Brüder gehortet hatten, schließlich nicht mehr löschen. Muller und seine US-Kollegen haben also reichlich Beweise. Pekka hat mir gestern einen Artikel aus der ›Financial Times‹ mitgebracht. Darin stand, dass Silverstein Green und Enlightment wegen der geklauten Algorithmen, die Melivia seit Jahren verwendet, Schadenersatz in zweistelliger Milliardenhöhe fordern. Die Melivia-Aktie ist daraufhin um mehr als siebzig Prozent abgestürzt.«
Als sie in Grund angekommen waren, machten Valérie und Kieffer es sich im Garten bequem. Er hatte Quetscheflued gekauft, Pflaumenkuchen, den sie mit reichlich Klappschmand verzehrten. »Ich werde, sobald die Fouer vorbei ist, übrigens zehn Tage Urlaub nehmen«, sagte Kieffer.
Valérie schaute ihn erstaunt an. »Du nimmst Urlaub? Freiwillig? Und was willst du in deinem Urlaub tun?« Sie setzte einen Ausdruck gespielten Entsetzens auf. »Doch nicht etwa gesund leben? Oder gar Sport machen?«
»Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben. Mir schweben ein paar Tage am Meer und der eine oder andere Strandspaziergang vor.«
»Und wann soll das stattfinden?
»So Ende September vielleicht, falls du dann Zeit hast. Aber vorher muss ich noch eine Sache erledigen. Versprochen ist versprochen.«
»Nur wenn du wirklich die Kraft dazu hast, Xavier.«
»Das schaffe ich schon.« Er seufzte. »Aber danach brauche ich tatsächlich Urlaub.«
31
Kieffer war spät dran, viel zu spät. Als ihn der Shuttlebus des Fernsehsenders vor dem Studio ausspuckte, war es schon kurz vor acht. Die Zuschauer drängten bereits in die Halle, weswegen er zum Hintereingang eilte. Dass er erst kurz vor Beginn der Show eintraf und nicht, wie eigentlich geplant, anderthalb Stunden früher, hatte er der Lufthansa zu verdanken, die ihn und die anderen Passagiere über eine Stunde lang auf dem Rollfeld von Findel hatte schmoren lassen. Kieffer zeigte einem Sicherheitsmann den eingeschweißten Backstagepass, den Esteban ihm ausgehändigt hatte: »Xavier Kieffer. Culinary Consultant. All Areas.«
Er betrat das Gebäude und orientierte sich. Nicht, dass es noch allzu viel zu tun gegeben hätte. Bei einem weiteren Treffen vor einigen Tagen waren die letzten Ablaufdetails geklärt worden. Nun konnte man nur noch hoffen, dass die Sache halbwegs reibungslos über die Bühne ging und sich die vier Starköche nicht vor laufender Kamera zerfleischten. Kieffer lief
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