Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
kochen.«
»Relájate, ché. Das musst du auch nicht. Un momento, ich werde es dir zeigen.«
Der Argentinier führte ihn nun in einen Teil der Haupthalle, der hinter der Showküche lag. Aus dem angrenzenden Studio konnte Kieffer bereits die aufgeregte Stimme eines Einheizers hören, der die wartenden Zuschauer bei Laune hielt. Er war zuvor noch nie in diesem Teil des Backstage-Bereichs gewesen, und was er sah, verschlug ihm einen Moment lang den Atem. Abgetrennt vom Rest des Studios befand sich hier eine weitere Küche. Sie besaß in etwa die gleichen Dimensionen wie die Showküche, die sich nur wenige Meter weiter, auf der gegenüberliegenden Seite der Wand befand. Anders als ihr TV-Pendant war sie jedoch nicht aus blitzendem Chrom, es gab keinerlei bunte Dekorationselemente, keine Scheinwerfer. Dies war eine richtige Restaurantküche, eine Küche zum Arbeiten, mit viel Edelstahl und wenig Schnickschnack. An den Posten standen ein halbes Dutzend Köche. Sie überprüften ihre mise en place, vergewisserten sich ein letztes Mal, dass alle benötigten Utensilien vorhanden waren. Es war offensichtlich, dass sie sich auf den Beginn des Service vorbereiteten. Zwischen den Köchen bemerkte Kieffer Regisseur Klaus Tiede, der nun zu ihnen herüberkam.
»Was soll das hier werden, Leo? Kochen die für die Crew?«, fragte Kieffer.
»Sag’s ihm, Klaus.«
Der Regisseur rückte seine Architektenbrille zurecht. »Wie Sie wissen, hatten wir gestern noch einen kleinen Testlauf. Unsere Starköche konnten da schon einmal die Küche ausprobieren, sie haben für die TV-Crew gekocht, reine Routine eigentlich. Aber aufgrund gewisser Spannungen zwischen den Beteiligten waren einige der Gerichte suboptimal.«
»Was Klaus sagen will, ché«, knurrte Esteban, »ist, dass diese idiotas unfassbare Schifferscheiße zusammengekocht haben. Una catástrofe.«
»Wie kann das sein?«, fragte Kieffer. »Nur weil die sich ein bisschen zanken, heißt das ja nicht, dass sie plötzlich nicht mehr kochen können.«
»Sie sagen, es liegt am Zutat-O-Mat. Und an ihren Assistenten. No sé, ist mir auch egal. Fest steht, dass es ein Risiko ist, der Jury das Zeug ungeprüft zu servieren. Vor allem, da ein Gabin-Tester darunter ist.«
Kieffer betrachtete die Postenköche. Ihm fiel auf, dass über der Küchenzeile mehrere große Monitore angebracht waren, auf denen man aus verschiedenen Einstellungen die Showküche sehen konnte. Ihm dämmerte, was Esteban vorhatte.
»Nachkochen? Die Köche hier sollen den ganzen Kram nachkochen?«
»Sí, ché. Unter deiner Leitung. Ihr bekommt zeitgleich mit den Köchen drüben die Zutatenliste des Zutat-O-Mats. Und wenn den idiotas ein Gericht misslingt, dann tauschen wir es im letzten Moment gegen eures aus.«
»Und wie willst du die missratenen Gerichte verschwinden lassen, Leo?«
»Es fácil.« Der Argentinier zeigte auf eine Klappe in der Studiowand. Der Regisseur sagte: »Sie erinnern sich vielleicht, dass alle fertigen Gerichte vor dem Servieren unter eine überdimensionierte Silberglocke kommen, unsere Supercloche. Dort stehen sie zwei, vielleicht drei Minuten. Während dieser Zeit ist es möglich, das Gericht über diese Klappe auszutauschen.«
Er ging zur Wand und öffnete die Klappe. Kieffer blickte hinein. Dahinter schien es einen Kriechgang zu geben, der in den Sockel führte, auf dem die Cloche ruhte. Er atmete tief ein und aus. Dann wandte er sich wieder Esteban zu.
»Okay. Ich glaube, dieser Irrsinn könnte sogar funktionieren. Aber es ist Betrug, Leo! Ihr kocht nicht, ihr simuliert den Zuschauern Kochen. Weiß Valérie davon?«
Der Regisseur räusperte sich. »Nicht in allen Details. Aber wir haben Frau Gabin selbstverständlich über den Umstand informiert, dass es ein Sicherheitsnetz geben wird. Sie hielt die Idee für … zweckmäßig.«
»Und die Köche?«
»Die wollten wir so kurz vor der Sendung nicht mit dieser Sache belasten«, antwortete Tiede. »Es würde ihnen alle Natürlichkeit nehmen.«
Kieffer vergrub sein Gesicht in den Händen. »Oh freck. Ech hunn de Kéis.«
Tiede schaute irritiert. »Was meinen Sie, Herr Kieffer?«
Esteban bedeutete dem Regisseur mit einer Handbewegung, zu verschwinden. Aus einem Lautsprecher über ihnen ertönte eine Stimme: »Noch fünf Minuten!«
Der Argentinier legte seine Hände auf Kieffers Schultern. »Ché, wo ist das Problem?«
»Das Problem ist, dass das hier alles Beschiss ist. Eine billige Zaubershow.«
»Fernsehen ist immer Beschiss, ché
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