Letzte Fischer
nicht wahrnehmen! Erhaben wie die alten Riesenmammutbäume. Diese Riesenmammutbäume, die Wale und die Libellen, wenn du die drei Arten studiert hast, dann weißt du, wozu die Natur fähig ist! Aber wie sollte man diese drei Arten studieren können? Der Mensch kann es nicht. Wir können sie nicht begreifen, weil sie es nicht zulassen.«
»Aha«, machte Tommy, sprachlos über Luises plötzliche Leidenschaft. Fasziniert flüsterte er, sie möge ihm mehr von den Libellen dieser Welt erzählen. Alles wolle er wissen, hauchte er.
Luise nickte und rutschte in seinem Arm weiter nach unten: »Es ist ein perfides Gerücht, dass sie stechen, erfunden von den Neidhammeln der Natur , von uns! Erfunden im Konkreten von den christlichen Missionaren, die den Germanen mit den Libellen drohen wollten. Sie redeten den heidnischen Volksgruppen ein, Libellen wären Teufelsbringer, weil sie wussten, man kann Libellen nicht einfangen oder sich vor ihnen schützen. Es sei denn: mit Gebeten; ja, so schwachsinnig ging es damals zu in der Welt. Kaum zu glauben, dass so edle Tiere für so eine üble Lüge herhalten mussten. So missbrauchte man die Libellen für die eigenen Zwecke. Man vergewaltigte sie, man demütigte sie! Eine einzigartige Frechheit, finde ich! – Und der Papst hat sich bis heute noch nicht bei den Libellen entschuldigt! – Eine Gemeinheit, finde ich.«
»Finde ich auch«, atmete Tommy ihr fast unhörbar ins Ohr: »Aber woher der Name kommt, weißt du bestimmt nicht.«
»Und ob! Das blieb wirklich lange Zeit rätselhaft. Falsch ist die Behauptung, dass er vom lateinischen ›libellum‹ abstammen würde, was ›Büchlein‹ heißt, weil sich die Flügel wie Buchseiten öffnen und schließen würden. – Jetzt kommt’s: richtig ist, der Name ›Libelle‹ stammt ab vom Namen ›Libella‹!«
»Und?«, küsste Tommy sie sanft auf die Schläfe.
»›Libella‹ heißt ›Hammerhai‹!«
»Hammerhai?«, lachte Tommy laut auf: »Der Winzling? Ich zeig dir, was ein Hammerhai ist!«
»Hör auf damit! Hör auf! – Man macht über Libellen keine Witze!«
»Ach so?«
»Ja, merk dir das! – Die Formen einiger Larven sehen nämlich wie ein Hammerhai aus, fanden die ersten wissenschaftlichen Entdecker. Aber in Deutschland gibt’s alleine achtundsiebzig Gattungen! Und dann natürlich noch Untergattungen zu jeder Gattung!«
»Natürlich! – Der Hammerhai hat ja seinen Hammer im Gesicht«, versuchte Tommy eine Anspielung. Er fasste Luise zwischen die Beine und streichelte ihre Brüste. Sie schloss die Augen und sagte: »Und andere Fische tragen ihn zwischen den Beinen.«
»Genau! Lass mich also schwimmen in deinem Teich! Deinem See! Deinem Meer! Deinem Weltmeer! Ich bin ein Hammerhai des Süßwassers. ›Dein Fluss ist mein Leben!‹«, Tommy zwinkerte dem gerahmten Rimbaudgedicht zu.
Als er ihre Hand auf seinem Schwanz spürte, bewegte er ein wenig den Unterleib.
»Wohin gehen wir?«, fragte er: »Hier geht’s nicht, weil hier unser Refugium ist. – An heiligen Orten fickt man nicht, oder?«
»Libellen leben nur einen Sommer. Weil sie die Zeit aber voll ausleben, reicht sie ihnen auch! Bei Großlibellen, wie der legendären ›Herbst-Mosaikjungfer‹ zum Beispiel, hält das Männchen das Weibchen am Kopf fest, wobei sich das Weibchen mit dem Hinterleib ans Männchen klammert. Eine der kompliziertesten Stellungen, die es überhaupt in der Natur gibt. Das Paar sieht beim Akt aus wie ein zusammengepresster Kreis. Der Vorteil dieser Verrenkung ist, dass die Flügel, alle acht, frei bleiben und gleich ausgerichtet sind. – Und was das bedeutet, kannst du dir nicht vorstellen!«
»Sie können beim Ficken fliegen, oder beim Fliegen ficken!«
»Du bist wirklich ein taffes Bürschlein, mein Lieblingsmatrose.«
»Und du sehnst dich nicht danach? Im freien Flug mit mir vereint?«
Luise lächelte. Sie griff Tommy fest zwischen die Beine. Sie küssten sich.
»Der Liebesakt dauert bei den Libellen aber bis zu einer Stunde! Schaffst du das?«
»Wenn du das schaffst, dann schaffe ich das auch«, sagte der Junge und massierte ihre Brüste durch die Kleidung hindurch. Er konnte an nichts anderes mehr denken, während Luise ihn mit weiteren Einzelheiten hinhielt: »Wenn Libellen die Eier ablegen, dann balanciert das Männchen mit dem Ende des Leibes auf dem Kopf des Weibchens herum und kann so die Umgebung im Auge behalten. Er steht also senkrecht auf ihrem Kopf, während sie waagerecht die Eier versteckt, indem sie mit ihrem
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