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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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mit der Faust hart auf die Back.
    Opernsänger schreckte aus dem Schlaf und fragte mürrisch, ob der Vortrag endlich zu Ende sei, Robert Rösch jedoch war sehr nachdenklich geworden. Obwohl er diese Passage auch kannte, erschien sie ihm plötzlich in einem neuen Licht. Konnte sie ihm bei seiner Entscheidung helfen? Er trank den letzten Schluck des letzten Bieres aus und stellte das Glas behutsam auf die Back.
    »Jedenfalls werde auch ich wie ein verdammter Doryfischer enden! Ohne Gebet, ohne Arzt, rüber über die Reling der Saudade und weniger wert als ein Kabeljau!«, sagte uralter Richard entschieden: »Wenn ich Glück habe, auch vor Labrador!«
    Er wartete, aber niemand widersprach ihm. Verbittert trank auch er sein letztes Bier für die nächsten fünf Monate aus, steckte das Buch wieder weg und stand auf. Zu dritt wankten sie in ihr Deck und warfen sich auf die Kojen. Sie hörten das Rumpeln und Krachen noch, spürten das Erzittern des ganzen Schiffes und drehten sich auf die Seiten, während die Wachhabenden ihre alte Saudade von der Pier losbrachten.
    Ein einsames Tuten hörten sie noch, dann schnarchten sie.
    Die Saudade war seit sechs Stunden auf dem Weg ins Niemandsgebiet vor Somalia, um den Thunfisch zu jagen. Nachdenklich musterte der Dritte Offizier die Seekarte des riesigen Gebiets. Es gehörte niemandem. Noch nie hatte es jemandem gehört. Nur dem Thun, dem Fisch, der ihnen nun unter dem Kiel ausstarb. Der junge Seeoffizier wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht, schon am Morgen erschöpft. Russische, spanische, portugiesische und japanische Trawler kreuzten hier zu hunderten und waren den heimischen Fischern seit Jahrzehnten übermächtige Konkurrenten, so dass aus den somalischen Fischern schließlich Piraten geworden waren. In diesem Niemandsland der See hatte die italienische Mafia Mitte der achtziger Jahre Giftmüll ins Meer versenkt, und der Dritte fragte sich erneut, während er auf den Sonarbildschirm schaute, ob sich das alles überhaupt noch lohne. Sollte er umsatteln? Dies war eine jener Fragen, die ihn schon seit längerem beschäftigten. Dazu die neue Gefahr! In der letzten Woche war zum ersten Mal ein Trawler von Piraten angegriffen worden! Trotz der Besatzungsstärke von fast neunzig Mann. Die Piraten konnten zwar aus eigener Kraft von der Verlaine vertrieben werden, aber zeigte dieser Versuch nicht, dass es wirklich zu Ende ging? Der junge, ehrgeizige Mann warf einen Blick auf den Radar. Er sah einen kleinen, grünen Punkt auf die Saudade zukommen. Was, wenn das jetzt ein Piratenschiff wäre?
    Er befahl ›volle Kraft voraus‹ und ging auf die Nock. Mit dem Seestecher musterte er das Fischerboot sorgsam. Es war eine alte Piroge. Kein Bordmotor. Das einzige Segel war gesetzt. Ein Jugendlicher und ein alter Mann, keine weitere Besatzung. Keine Planen an Bord, unter denen Waffen und Männer versteckt sein könnten.
    Der Junge stand am Bug und schwenkte etwas hin und her, das wie ein Lappen aussah, wie ein grauer Lappen. Fast dreieckig. Eine Fischsorte? ›Bloß was für eine?‹, fragte sich der wachhabende Offizier, bevor er plötzlich voll guter Ahnung war. Er kam ins Brückenhaus zurück, befahl, alle Maschinen zu stoppen, und machte über die Bordlautsprecher eine Durchsage: »Achtung! – Verarbeiter Robert Rösch sofort auf die Brücke! – Achtung! – Verarbeiter Rösch auf die Brücke!«
    Verkatert saß Robert Rösch auf der Kante der Koje. Das erste, was ihm nach einem Fluch durch den Kopf ging, war die Vermutung, es wäre etwas mit Mathilde! Es wäre soweit. Die Botschaft, vor der er sich seit Jahren fürchtete, wäre eingetroffen. Dann aber wurde ihm klar, es war weder Mai noch war Mathilde ohne Hoffnung. Im Gegenteil! Sie hatte ihn ja gebeten, für immer an Land zu bleiben, und er hatte ja nicht sofort ›nein‹ gesagt. Er hatte den neu erwachten Lebensmut seiner Frau doch gestärkt. Vorerst jedenfalls.
    Er hielt sie also mit Hoffnung im Leben, das beruhigte ihn zwar, dennoch näherte er sich dem wachhabenden Offizier im Eiltempo: »Auf die Brücke! – Verarbeiter Rösch.«
    Der Dritte Offizier winkte ihn auf die Nock und hielt ihm den Seestecher hin: »Was sagen Sie dazu?«
    Robert sah durchs Fernglas: »Auf jeden Fall eine Art Seefledermaus, die der Junge da schwenkt. Es kann eine Rote Seefledermaus oder ein verdammter Krötenfisch sein. – Es kann aber auch eine Kurznasenseefledermaus sein.«
    Der Offizier nickte: »Ihr Ratschlag?«
    Robert gab das Fernglas

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