Letzte Fischer
Exemplare schwammen darin. Rösch genügte ein Blick, um sicher zu sein: Sie waren zwar kleiner, hatten zusammen aber bestimmt einen Marktwert von etwa einer Million US-Dollar!
So nachlässig wie möglich legte Rösch den größten Fisch in den Eimer zurück, beobachtete, wie dieser sich schnell erholte, und bedeutete dem Zahlmeister, er solle alle Exemplare aufkaufen.
Der gebürtige Inder nickte, und die beiden Küstenfischer waren froh, als sie merkten, dass sie ihn verstanden. Das Angebot stand bei hundert US-Dollar.
Der Alte schüttelte den Kopf, hatte er doch schon viel von diesen Hochseefischern aus den fernen Ländern gehört.
Der Inder erhöhte sofort auf zweihundert US-Dollar.
Der Alte sah seinen Enkel an, irgendetwas hatte ihn stutzig gemacht. War es diese eilige Erhöhung gewesen? Der Alte grübelte. Was sollte schon an diesen unnützen Plattfischen dran sein? Sein Volk verachtete sie doch wegen der giftigen Stacheln. Er schüttelte wieder den Kopf und hörte mit Erstaunen, wie der Inder den Preis auf eintausend US-Dollar festsetzte.
Zugleich wurde dem alten Fischer bedeutet, dies sei das letzte Angebot.
Der Alte nickte ein wenig und streckte drei Finger aus. Er sah dabei seinen Enkel an, und plötzlich erinnerte sich der alte Mann an seinen uralten Traum vom Meer! Das Meer war dabei, ihm seinen Traum zu erfüllen. Es wollte ihn reich machen, damit er seinen Enkel auf eine große und wichtige Schule schicken konnte! Sofort zeigte er mit der anderen Hand an, der Preis betrage nicht drei-, sondern achttausend US-Dollar.
Er behielt die acht Finger fordernd in der Luft, und zum ersten Mal lächelte er, als er das aufgeregte Gesicht seines jungen Verwandten sah. Er achtete nicht auf das Kopfschütteln des indischen Zahlmeisters, sah stur an dessen Gesicht vorbei und wartete.
Die acht Finger blieben, wo sie waren. Der alte Fischer wollte keinen Augenkontakt, er wollte den Preis bezahlt haben. Ruhig und stolz sah er in die Ferne.
Schließlich zuckte der indische Zahlmeister der Saudade mit den Schultern und zählte die achttausend US-Dollar auf die zitternde Hand des Jungen.
Zufrieden verbeugten sich die beiden Männer voreinander und verabschiedeten sich. Robert sah noch, er saß schon wieder im Kutter, zwischen den Beinen den Eimer mit den kostbaren Seefledermäusen, wie der alte Mann dem Jungen übers Haar strich und ihn auf die Stirn küsste. Robert Rösch drehte sich nach vorne um und ignorierte die geflüsterten Fragen der Kutterbesatzung.
Auch dem Zahlmeister verriet er die Summe nicht, auf die er den Wert der acht Fische schätzte. Er sagte lediglich: »Ihr wisst doch, dass ich euch das gar nicht sagen darf! Ich muss sie ja erst einmal häuten! Vielleicht geht ja etwas schief! Dann zerreißt ihr mich vielleicht in der Luft! – Nein, nein, ich werde es allein dem Kapitän sagen. Persönlich!«
Er warf noch einen Blick auf die Fische, ehe er das Tuch wie ein Zauberer über den Plastikeimer fallen ließ.
Häuten, die Kunst, die Kurznasenseefledermaus zu häuten, die Kunst, die keine zehn Männer auf der Welt beherrschten, Robert Rösch hatte zur Häutung alles vorbereitet. Er stand in der abgeteilten Ecke der Verarbeitungshalle vier, und während die anderen Verarbeiter den Thun köpften, entgräteten, ausnahmen und einfroren, sah Robert Rösch auf die größte der Kurznasenseefledermäuse, die er aus dem alten Eimer genommen und auf den Tisch gelegt hatte. Sie öffnete ab und an träge die Augen, riss das Maul auf, bewegte sich aber ansonsten nicht. Robert Rösch wartete, komme es doch auf den richtigen Moment an. Er dürfe nicht voreilig sein, er dürfe aber auch nicht zu lange warten. ›Man könnte versinken in der Stille, hätte man die nötige Ruhe dazu‹, dachte er und zog den Handschuh der linken Hand aus.
Die Tieraugen waren geschlossen, er legte zwei Fingerkuppen sacht auf die Lider des Fisches und spürte lange den eigenen Puls.
Dann das Zucken in den Fischaugen, als er den Druck nur ein wenig erhöhte. Er sah, wie sich die Giftstacheln aufrichteten und wie sich der Rücken ein wenig wölbte. Er nahm die Finger lächelnd weg.
Etwas lenkte ihn ab, und das gefiel dem Kurznasenseefledermausspezialisten gar nicht. Es waren Gedanken, die ihm nicht passten. Es war die Frage, ob dies seine letzten Seefledermäuse waren oder ob er auf dieser ›stählernen Insel aussterbender Männlichkeit‹ aushalten würde.
Rösch sah auf das Prachtexemplar vor sich, konzentrierte sich und wartete
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