Letzte Fischer
aber nicht«, keuchte einer der Verarbeiter.
»Muss aber«, sagte der Dritte : »Scheiße, ich weiß doch auch nicht weiter. – Wer denkt schon an so etwas? Hochseefischer, gefangen im eigenen Frischwassertank? Inmitten von Unmengen an Thun? Wozu sollen hier auch Notausstiege sein? Wir sind in einem perfekten Gefängnis.«
»Und was ist mit dem Hebekran, mit dem wir die Fische immer hoch holen? Das Netz muss doch noch dranhängen«, sagte eine Stimme, die Robert nicht kannte.
»Kann nur von der Schalttafel aus bedient werden«, sagte Haudegen : »Befindet sich im Längsgang vier, wisst ihr ja so gut wie ich!«
»Also«, sagte Opernsänger , der unbedingt etwas für die Moral der Truppe tun wollte: »Muss uralter Richard nur an die Tafel kommen, den Kran runterlassen, und dann kann er meinetwegen verrecken, wenn wir nur hinaufklettern können. – Das ist sein Plan!«
Haudegen sagte nicht, dazu müsse die Luke geöffnet werden, was von der Brücke aus zu sehen sei, auf der sich garantiert ein Trupp der Piraten befinde. Haudegen schwieg lieber und hörte den plötzlich euphorisierten Kollegen traurig zu.
Gerede und Geplätscher von überallher. Schwache Echos, die schließlich verstummten.
Sie hatten lange gekämpft, die Arme hatten ihnen gezittert, sie hatten die bewusstlosen Körper immer wieder an die Oberfläche gestemmt, sie hatten geflucht und gebetet und keinen Rat mehr gewusst. Sie hatten den Kapitän und seinen Stellvertreter geohrfeigt, und niemand war der Erste gewesen, der losgelassen hatte.
Nach vier Stunden hatten die Verarbeiter und die Hochseefischer die Körper sinken lassen, und klar war nur, dass Kroatischer Riese sie zuletzt allein gehalten hatte. Der Dritte hatte ihm befehlen müssen, damit aufzuhören.
Viele hielten sich jetzt nur noch mühsam an der Wasseroberfläche, und sie alle wussten, dass sie alsbald ein Fraß des Thuns werden würden, den sie so lange gejagt und zerlegt hatten. Es schien ihnen auf einmal nur logisch.
Sie warfen nur noch vereinzelt Sätze in die absolute Dunkelheit. Niemand hatte eine Idee, auch Haudegen nicht.
Wo blieb nur uralter Richard ?
Warum unternahm er nichts?
Er brauchte doch nur den verdammten Hebel umlegen und den Zündschlüssel nach rechts drehen! War doch egal, wenn der Kran mitsamt dem Netz herunterkrachte! Der Kranarm würde schon nicht am Gelenk brechen, der Kranarm würde schon halten!
Haudegen war sich sicher.
Wo also blieb uralter Richard ?
Der Schwätzer! Dieser nutzlose Parasit! Dieser Hungerleider, den sie all die Jahre mitgeschleppt hatten und der zum Sterben zu faul gewesen war! ›Arschloch, du verdammter Kommunist! Mach hin‹, dachte der Hauptmaschinist und Oberste Heizer, während der Dritte Offizier sich fragte, ob die Geschichte von der Fu Tai stimme, die er vor langer Zeit gehört habe.
Es sei ein schönes Schiff mit einem schlanken und grauen Rumpf und mit einem gelben Schornstein. Daran sei es heute noch zu erkennen, obwohl es schon lange andere Papiere und einen ganz anderen Namen habe.
Es habe vor der Batam-Insel jenseits der Singapur-Straße vor Anker gelegen, als eine Piratenbande es am fünften August neunzehnhundertachtundneunzig geentert habe. Man habe die Besatzung zusammengetrieben und ihr befohlen, über Bord zu springen. Die meisten seien ertrunken, einige wenige seien bis ans Land gekommen. Der Chief des Schiffes aber sei an Bord festgehalten worden.
Der Eigner habe zwar eine Belohnung auf die Wiederbeschaffung seines Schiffes ausgelobt, das Schiff sei aber da schon umbenannt und mit neuem Anstrich versehen worden. Nur der Schornstein sei immer noch gelb; ein gelber Schornstein unter Tausenden von gelben Schornsteinen weltweit.
Das Schiff sei zu einem Drogenfahrzeug geworden, das niemals einen Hafen anlaufe und sich immer nur in internationalen Gewässern aufhalte.
Ständig fahre es hin und her, das Heroin werde mit Booten geliefert oder abtransportiert. An den Rändern des Südchinesischen Meeres.
Der Kahn stoppe nur, um die tödliche Fracht zu verschiffen oder um Lebensmittel zu bunkern.
Das Schiff sei für niemanden greifbar, solange es sich auf offener See befinde, wo Rechtsfreiheit mangels eines Richters und eines Staatsanwaltes herrsche.
Diese ewige Fahrt werde so lange andauern, bis das Schiff vom Rost so zerfressen sei, dass es sinke. Es sei zu einem modernen Fliegenden Holländer geworden, auf dem der einstige Chief ein Sklave geworden sei und Tag und Nacht schufte. Entführt und für immer
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