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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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ein herzlicher und unbestimmter Fluch, dann waren sie vollkommen munter.
    Sie verteilten sich auf dem Oberdeck, während der alte Fischer an Land die Taue von den Pollern losschlug und die Enden ins Wasser fallen ließ. Er kam wieder an Bord, band die Bändsel ab, die die Gangway am Schanzkleid hielten, und holte den Austritt ganz allein ein. Das Metall schleifte quietschend über die eisernen Planken, dann war die Verbindung zum Land unterbrochen. Der alte Fischer schloss das Schanzkleid, verband die Laufseile der Reling und machte sich daran, die Gangway auseinanderzunehmen und Teil um Teil in der Decklast zu verstauen.
    Während einer der drei Aushilfen die Haltetaue einholte und ebenfalls in der Last verstaute, stand ein anderer von ihnen gähnend im Steuerhaus und hielt das Rad locker in der Hand. Der Dritte zog die Fender an Bord und legte sie ebenfalls in die Last, die sich hinten auf der Backbordseite befand.
    Der Kapitän kam auf die Brücke, der Steuernde grüßte ihn und schloss: »Alles klar zum Auslaufen.«
    »Sehr gut! Dann los!«
    Es war ein windgeschütztes Hafenbecken und zusätzlich sperrte die lange Pier den Wellengang, an deren Ende sie das Schiff schon verlegt hatten, um nach der Ankunft der Sicherheitsleute so schnell wie möglich in die offene See zu kommen. Ein helles Blau mit milchigen Schleiern, in dem die Sterne noch klar funkelten, begann, sich von der Umgebung abzuzeichnen. Es werde noch eine gute Stunde dauern, war sich der Steuernde sicher, ehe die Sonne aufgehe.
    Er schaltete die Zündung ein, der Kapitän steckte sich seine erste Zigarre an, und die drei Deckleute versammelten sich am hinteren Ende auf der Backbordseite, um lange Metallstangen zur Hand zu nehmen. Sie setzten die Enden gegen die Kaimauer und drückten mit aller Kraft das Schiff von der Pier weg. Der Motor sprang an, der Steuernde drehte den Bug von der Kaikante weg, die Männer gingen zum Heck, setzten wieder die Stangen an den Beton und drückten das Schiff nun, mit Hilfe des Motors, ganz von der Pier weg. Der Steuernde gab Vollgas, die Deckleute husteten und fluchten im Qualm, ehe sie die Stangen wieder verstauten und mit einer Zigarette zwischen den Lippen dem Verschwinden des schnell kleiner werdenden Hafens zusahen.
    »Also, Leute! Nun geht’s wieder los!«, sagte der alte Fischer, und die anderen beiden Männer nickten.
    Die Rimbaud war kein großes Schiff. Als sie wenig später aus der Bucht kam, setzte ihr der Wellengang sofort zu. Noch war sie leicht, hatte sie doch nichts an Ladung gebunkert, und wurde zum Spielball des Atlantiks. Ein paar Seemeilen hielt der Kapitän das Schiff noch im Windschatten der zerklüfteten Küste von Spitzbergen, doch dann befahl er die Kursänderung, so dass sich die Rimbaud nun dem Seegang stellen musste. Die Berge, die dem Land einst den Namen gegeben hatten, waren zwar noch lange zu sehen, doch kein Walfänger wandte sich mehr um. Ihr aller Blick war nach vorne gerichtet, wo in einiger Entfernung eine Wolkenwand stand, auf die sie zuhielten. Schon waren Blitze erkennbar, während hinter ihnen die Sonne aufging. Wenig später erklang das Grollen des Gewitters.
    »Es gibt schwere See im Westen«, sagte der alte Fischer: »Da müssen wir rein!«
    Als Antwort erhielt er ein Schweigen. Es war ein wissendes Schweigen, das keiner der Deckleute unterbrechen wollte. Sie gingen von Oberdeck und ließen sich in der Messe eine reichhaltiges Frühstück auftischen.
    Die letzte Mahlzeit für die nächsten zehn Stunden wurde pro Kopf auf vier große, tiefe Teller verteilt. Rühreier mit langen, schmalen Speckstreifen, die angebraten waren. Ein Dutzend Würstchen mit Weißbrot. Dicker Eintopf mit roten und grünen Bohnen, und auf dem letzten Teller türmte sich Schokoladenpudding.
    Schwitzend und schmatzend verschlangen sie das Essen, und jeder bekam zum Abschluss noch eine Thermoskanne mit Kaffee und ein Brett mit Streuselkuchenstreifen, die eingepackt und in die Taschen der Wattejacken verstaut wurden, über die die Männer ein paar Minuten später das Ölzeug zogen.
    Plötzlich richtete sich die Rimbaud auf und fiel fast sofort wieder herunter. Erneut sprang der Walfänger hoch und wurde wenig später in ein neues Wellental gestoßen. Das Unwetter sei erreicht, die Wolkenwand durchbrochen, wussten die Männer. Sie stellten schnell die Teller übereinander, der Smutje räumte sie ab und murrte, ihm hätte man auch sagen können, dass schweres Wetter im Anmarsch sei, aber er wäre ja bloß

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