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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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an Bord. Nach meiner Wenigkeit natürlich. Stell dich also gut mit ihm!«
    Auch Tommy stand auf, hob seinen Seesack auf und schloss wenig später das Schott von außen. Verdammt! Er hatte vergessen zu fragen, wo die Kabine des Harpuniers war, aber zurückgehen wollte er nun auch wieder nicht. Wie sähe das denn aus, wenn er zurückkäme und fragen würde, wo er hinmusste? Wie ein Muttersöhnchen, nein, nein, nichts da! Tommy ging den Längsgang bis zur Mitte und öffnete backbord das Schott.
    Er stand in der Messe, und wieder traf er auf den Aushilfsmatrosen, der diesmal den Aufenthaltsraum feudelte.
    Tommy blieb am Eingang stehen und sagte zu dem in einer Ecke knienden Mann: »Wie heißt du eigentlich? Habe ich vorhin vergessen zu fragen.«
    »Ach so, ja, stimmt«, sagte der aufblickende Mann: »Ich bin hier der Mann für alles. Wo ein Mann fehlt, da stehe ich. Güni , so rufen sie mich hier.«
    » Güni ?«, fragte Tommy und grinste.
    »Warte nur ab, du bekommst auch einen Spitznamen, und wenn du Pech hast, dann wird er dir gar nicht gefallen. Das Bordleben ist anders als das Leben an Land, und darum hat man hier auch einen anderen Namen, einen Bordnamen. Weißt du, wir lassen den privaten Scheiß nämlich einfach an Land und kümmern uns hier nur um die Arbeit und ums Fressen.«
    »Das gefällt mir! Das will ich auch. Sag mal, Güni , wo ist der Harpunier, ich soll zu ihm auf Koje.«
    »Wat sollst du?«
    »Zum Harpunier auf Koje«, begann Tommy, ohne zu Ende sprechen zu können, weil Güni aus vollem Halse lachte.
    Er schlug sich auf die Schenkel. Der Smutje steckte seinen Kopf durch die Durchreiche: »Was gibt es? Einen guten Witz? Immer her damit!«
    »Der Bordjunge will zum Harpunier auf Koje«, brachte der lachende Güni hervor, woraufhin der Koch mit dem Kopf schüttelte und sagte: »Das heißt nicht ›auf Koje‹! ›Auf Koje‹ heißt ›ins Bett‹! Was du meinst, heißt ›ins Deck‹! ›Ins Deck‹ heißt ›aufs Zimmer‹! Willkommen an Bord, da hast du ja einen guten Einstand hier.« Der Smutje grinste und verschwand wieder in der Kombüse.
    Tommy war knallrot geworden. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er aus der Messe und suchte das Deck des Harpuniers selbst.
    Er fand es genau gegenüber der Messe. Nachdem er den Längsgang einmal nach vorn und einmal nach hinten gegangen war, fiel ihm die kleine, silberne Harpune auf, die an den Rahmen des Schotts geklebt war.
    Er klopfte und trat ein.
    »Raus hier!«, kam sofort ein tiefer Bass aus der unteren Koje. Tommy sah im selben Moment, dass die obere Koje mit Sachen vollgestellt war. Kartons, Plastikbecher, Ölzeug.
    »Geht nicht«, sagte Tommy: »Ich bin der Neue. Ich bin dein neuer Mitbewohner. Ich bin Azubi, drittes Lehrjahr.«
    »Mir egal! Raus hier! Komm in einer Stunde wieder! Ab jetzt!«
    »Aber . . .«
    »Verschwinde! Lass deinen verdammten Seesack da stehen. Geh in die Messe, ich muss erst wach werden.«
    »Verkatert?«
    »Geht dich einen Scheiß an; ja.«
    Tommy nickte, warf den Seesack auf den Boden, und als er wieder hinausging, warf er das Schott mit aller Kraft zu.
    »Scheiße!«, hörte er den Basken von drinnen fluchen und grinste. Er sah auf die Uhr seines Handys und stieg den Niedergang langsam wieder hoch. An der frischen Luft drehte er eine Runde, immer an der Reling entlang, und blieb am Heck stehen. Die Klappe war hochgefahren, so dass die Luke geschlossen war, durch die auf See die Wale mit einer Winde hochgezogen wurden. Tommy hatte alle Arbeitsschritte im Kopf, er wusste, was zu tun war, theoretisch wusste er alles, aber praktisch? Würde er die erste Fahrt bestehen? Überstehen? Oder würde er versagen und den Männern hier nur eine Last sein? Sicherlich, er hatte wenig Muskeln, aber er war ja auch erst achtzehn Jahre alt! Was wollten die denn von ihm? Tommy schüttelte den Kopf und zog das Handy aus der Hosentasche.
    Er suchte auf dem ganzen Schiff, aber nirgends hatte er Empfang. Tommy steckte das Telefon wieder weg, er hätte ja sowieso nur seinen Vater anrufen können. Die Freunde wussten ja noch gar nicht, dass er weg war. Er hatte sich nicht getraut, es ihnen zu sagen. Lieber wollte er nach den beiden Monaten wieder in den Club kommen und lässig sein Handy mit den gespeicherten Fotos herumreichen. Sarah wollte er die Bilder zuletzt zeigen. Damit sie mit ihm mitkommen konnte, wenn er sie lässig und kühl fragte, ob sie ein paar Geschichten hören wolle. Von der harten und schönen See. So habe sein Vater seine Mutter

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