Letzte Fischer
der dumme Koch.
Die Deckleute nickten, als habe der Mann ein wahres Wort gesprochen, erhoben sich träge und stellten sich auf ihre Seebeine, während im Vorschiff Luise aus der Koje geschleudert wurde.
Noch im Fallen drehte sie sich schlaftrunken zur Seite, so dass sie auf der Schulter landete.
Fluchend stand sie im Deck und sah zu den Kameraden, die gegen die Sicherheitsbretter der Kojen geschleudert wurden. Sie selbst hatte vergessen, das Brett ihrer Koje einzuhaken, so müde war sie gewesen. Luise schalt sich in Gedanken eine Idiotin, weckte dann aber ihre Kameraden, weil sie neidisch auf deren Schlaf geworden war.
Ihre Männer murrten, aber Luise war unerbittlich. Sie scheuchte die Männer hoch und befahl das Aufklaren des Decks, standen die Seesäcke doch noch immer unausgepackt mitten in der Kabine herum.
»Sauerei hier! Saubermachen!«, legte sie nach, und die Tschechen wussten, diskutieren wäre jetzt unsinnig. Die Männer drehten sich aus den Kojen, setzten sich um den festgeschraubten Tisch und zogen sich die Seesäcke heran, um sie zu öffnen.
Auch Luise verteilte ihre Sachen im ihr zustehenden Spind. Sie hatte kein Platzproblem, da war sie wie ihre männlichen Kollegen. Sie hatte nie ein Spindproblem , auf keinem der vielen Schiffe, die sie schon bewacht hatte. Luise räumte schnell und routiniert ein: Alles Schwere nach unten, alles Leichte nach oben und alles Persönliche nach hinten.
Der Seesack selbst wurde lang und flach unter die Matratze gelegt, wobei das offene Ende mit den Metallösen ans Fußende kam; jetzt seien sie wirklich an Bord. Jetzt gebe es kein Zurück mehr, meinten die Sicherungsleute, jetzt seien sie eingerichtet und Teil der Mannschaft. Irgendwie jedenfalls. Luise streckte sich im Stehen und gähnte, ehe sie meinte, man könne sich ja jetzt mal den Walfänger anschauen. Schwachstellen in der Verteidigung finden und beheben.
Zu viert gingen sie aufs Oberdeck, und obwohl das Schiff in einen handfesten Sturm geraten war, inspizierten sie jeden Winkel. Oftmals hängten sie sich über die Reling, um auf die Außenhaut zu schauen, wobei sie sich gegenseitig sicherten. Das imponierte dem Kapitän, der befürchtet hatte, Landratten an Bord genommen zu haben.
Er sah ihnen von der Brücke aus zu, wie sie das Deck selbständig unter die Lupe nahmen, und wusste nicht recht, was er von der Sache halten solle.
Bewachungspersonal wegen ein paar Dutzend Wale! Er schüttelte den Kopf.
Habe die Reederei da nicht übertrieben? Er nickte.
Hasse er nicht unnützes Personal? Er nickte.
Was solle er nur anfangen mit denen da unten? Er zuckte mit den Schultern.
Was solle er hier mit Aufpassern? Ein Kapitän habe niemals Aufpasser, schon gleich gar nicht an Bord! Er sei der Aufpasser, er allein! Und mit Greenpeaceaktivisten kenne er sich auch gut genug aus. Die müsse man nur ignorieren, das sei die Antwort auf die Angst der Reederei. Man hätte ihn nur fragen müssen!
Er sagte zum Steuernden: »Na ja, jedenfalls ist wenigstens eine Frau dabei. Die kann ja mal die Küchenlast aufklaren. – Ist die überhaupt schon mal aufgeklart worden?«
»In diesem Leben nicht«, sagte der Steuernde und sah Luise zu, wie sie sich über das Laufseil der Reling beugte. Die Aushilfe stieß einen Pfiff aus.
»He, Spanner, Kurs halten!«
»Aye, aye, Käp’ten! – Kurs liegt an.«
Zwei Wochen vor Luise war Tommy an Bord der Rimbaud gekommen. Er war der einzige Auszubildende auf dem Walfänger. Der Achtzehnjährige wollte Hochseefischer werden, am liebsten Flenser, und als er das Schiff betrat, erinnerte er sich tatsächlich an die Abschiedsworte seines Vaters. Sie hatten auf dem Flughafen seiner Heimatstadt München gewartet, als der Vater gemeint hatte, er solle es nicht vergessen: »Die Tränen eines Seemanns haben noch jeden Kahn zum Kentern gebracht!«
»Vater! Ich werde doch nicht heulen!«, war seine Antwort gewesen, aber als er das Schiff inmitten dieser unwirklichen Gegend von Spitzbergen sah, wurde ihm dann doch mulmig. Er kniff ganz schön mit den Augen, als er die Gangway hochstieg und sich sofort auf der Brücke meldete, wie er es in der theoretischen Ausbildung gelernt hatte. Er trat auf die Nock, öffnete das Schott zur Brücke und sagte zum erstbesten Mann: »Rahr, Tommy. Azubi im dritten Ausbildungsjahr. Melde mich wie befohlen an Bord.«
Verblüfft fuhr der Aushilfsmatrose herum, der gerade den Brückenboden wischte: »Wat?«
»Rahr, Tommy. Auszubildender im dritten Ausbildungsjahr,
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