Letzte Fischer
Trawlers erforschen zu können. Das Leben unter Peter-Pan-Männern.
»Herr Rösch, die Kommission muss sich für einige Minuten zur Beratung zurückziehen«, hatte der Vorsitzende geantwortet und ihn gebeten, draußen zu warten. Robert Rösch erinnerte sich an die Gefühle, die ihn auf dem dunklen Flur überkommen hatten. Er war fanatisch gewesen! Wollte er damals scheitern? Wie ein PPM?
Sie hatten ihn gewähren lassen, man sei neugierig, man werde ihm erlauben, jenseits der wissenschaftlichen Strukturen Neuland zu betreten.
»Vielen Dank, meine Herren, ich danke Ihnen sehr. – Den Schlüssel der ewigen Jugend in sich geborgen zu haben, das macht den erwachsenen Peter Pan aus. Dieser Schlüssel heißt: ›Verantwortungslosigkeit‹! – Meine Herren, Peter Pans können der Verantwortungslosigkeit einfach nicht entkommen. Was wie eine kindliche Rebellion begonnen hat, ist beim Erwachsenen zum Lebensstil geworden. Es ist die Unfähigkeit, für sich selbst zu sorgen! Auf den Fischtrawlern gibt es dafür genügend Beweise. Wetterfeste Männer, die im Inneren froh sind, dass für ihre Rente vorgesorgt wird, dass der Reeder – der Kapitän – der Trawler schon alle wichtigen Dinge für sie regeln wird, wenn sie im Gegenzug nur hart genug arbeiten und zuverlässig im Kreis der Männer bleiben. Es sind überholte Männer, die sich da auf stählerne Inseln der Verantwortungslosigkeit geflüchtet haben. Niemand ist da, der ihnen sagt: ›Für diesen Unsinn bist du zu alt.‹ – Es sind Peter Pans, denen Sterben als große Nachmittagsbeschäftigung erscheint, die aber vom Verlust des eigenen Schattens außerordentlich beunruhigt sind. Peter Pans sind stets darauf bedacht, sich von niemandem wirklich berühren zu lassen. Die literarische Titelfigur ›Peter Pan‹ wusste nicht, wie sie sich als Sohn verhalten solle. Peter Pan hatte keinen Vater. Wie soll so jemand später wissen, wie sich ein Vater verhält, wie er Verantwortung übernimmt? Peter Pan hatte keine Menschen um sich, denen er vertrauen konnte, an die er sich wenden konnte. Das Verhalten der Mutter schockierte ihn, das Verhalten des Vaters entfremdete ihn, überall in der Welt der Erwachsenen stieß er auf Ablehnung, so dass er sich nur an seinesgleichen wenden konnte, an unreife Jungs, um die ungeheuere Angst vor der Einsamkeit abschütteln zu können, die mit den Jahren verschwindet und nur die Einsamkeit selbst übrig lässt. – ›Es tut mir leid‹, diesen Satz, der in der Welt der Erwachsenen eine der wichtigsten Formeln des Zusammenlebens ist, kann ein Peter Pan nicht aussprechen, ohne sich verlogen und wertlos zu fühlen. Ein Kamerad aus der Legion der verlorenen Jungs sagt im Buch an einer Stelle: ›Da ich ja niemand Wichtiges sein kann, darf ich euch vielleicht ein Kunststück vorführen?‹ Was für eine Lieblosigkeit müssen diese Peter Pans doch erfahren haben, dass sie sich ein ganzes Niemandsland erfanden! Sie haben den Mangel überstanden, den Schlag ausgehalten, den Schock überwunden. Sie haben die Qual der Einsamkeit ertragen und sind eines Morgens im Niemandsland aufgewacht, fern der Erwachsenen, fern der Realität! Sie sind nicht in Panik verfallen. Sie haben Leidensgefährten gefunden, andere Jungs mit ähnlichen Schicksalen, und sie haben das Beste aus der Situation gemacht, meine Herren: Sie sind auf Piratenjagd gegangen! Heute spielen diese Jungs stumm am Computer. Die Legion der verlorenen Jungs, sie haben keine Liebe erfahren und sind unbesiegbar, weil sie aus dem Gefühl der Ablehnung ganz einfach einen Daseinszweck gemacht haben. Den Daseinszweck der Piratenjäger! Heute jagen diese unerwachsenen Männer auf See den Fisch. Sie rauben die See aus, um den Menschen an Land das Eiweiß zu bringen, das diese so dringend benötigen. Die Peter Pans opfern sich in der Gestalt des Hochseefischers für die ganze Menschheit auf! Sie helfen, den Hunger einzudämmen, sie helfen als unbändige Abenteurer mit. Sie opfern sich auf, solange sie in der Gruppe Gleichgesinnter bleiben können. Selbstlos verschenken sie die erbeuteten Reichtümer der See, solange sie nur die härteste Arbeit in der unwirklichsten Umgebung leisten dürfen und nicht eine einzige Entscheidung fällen müssen. Entscheidungen zeugen von Verantwortungsbewusstsein, ein Bewusstsein, das sie nicht haben. – Als Jugendlicher steht der Peter Pan unsichtbar inmitten einer Gruppe von Jungen und Mädchen. Er ist da, hört zu, aber niemand sieht ihn, also bleibt ihm nichts anderes
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