Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
Vom Netzwerk:
zwickte ihr in den Hintern, sie stieß einen Möwenschrei aus, der die weißen Vögel augenblicklich weckte. Verwirrt schwirrten sie über das menschenleere Arsenal, ehe sie wieder auf der Brüstung der Pier landeten.
    »Ich zeige dir, mit wem du zusammenlebst«, sagte er, während sie zur Yacht gingen, auf deren Heck Ghost stand.
    »Spring!«
    »Was?«
    »Du sollst springen! Nicht fragen!«
    Er bückte sich, löste am Poller den Festhalteknoten der Bugverleinung, hielt das Boot an der Bugreling am Kai und forderte sie erneut auf, zu springen.
    Sie stellte einen Fuß aufs Oberdeck, zog sich an der Relingstange hoch und brachte das andere Bein über die Verkleidung, als sie einen kräftigen Schlag auf den Hintern bekam, der sie auf die Yacht bugsierte.
    »Beute gesichert!«, Robert Rösch lachte wild auf.
    Er grinste frech, als er mit einem Hechtsprung übersetzte und ihr stumm bedeutete, sich brav aufs Kajütendach zu setzen. Er verwirrte sie, ihr Freund überraschte sie, Mathilde spürte, egal welche Rolle er spiele, er spiele sie ihretwegen. Er wolle sie beeindrucken, und sie musste sich eingestehen, dass ihm das ganz gut gelang. Schüchtern senkte sie den Blick, setzte sich mit angewinkelten Beinen aufs Dach und lächelte zaghaft.
    Breitbeinig ging er zum Heck, holte tatsächlich aus einem der Stiefelschafte ein Messer und kappte kurzerhand die beiden Heckleinen. Robert setzte sich und hatte im dritten Versuch die Zündung kurzgeschlossen. Er kippte den Dieselmotor außenbords und langsam tuckerte die Ghost aus dem Yachthafen von Warnemünde, während der Himmel sich rötete. Was stand ihr bevor? Ihr schien es, als wisse es selbst der Himmel nicht. Als erröte er wegen seiner eigenen unzüchtigen Gedanken. Erneut lächelte sie, als er sie mit winkendem Zeigefinger zu sich bestellte. Er packte sie am Nacken, zwang sie hinter das Steuerrad und flüsterte ihr ins Ohr: »Kurs halten!«
    »Aye, aye, Kapitän«, flüsterte sie zurück, »wie lautet der Kurs?«
    »Offene See! Direkt zwischen die gespreizten Wellen! Einfach rein in die See!«
    Sie spürte seine Lippen auf der Wange, seine Hand an den Brüsten, ehe er aufstand und durch die aufgebrochene Kajütentür im Inneren des Bootes verschwand. Sie hörte, wie er Schränke aufriss und die gesamte Hochseeyacht durchsuchte.
    »Leinen klarmachen! Backbord und steuerbord!«, rief er von unten.
    »Verstanden!«, rief sie zurück. Was hatte er nur vor? Wohin wollte er mit ihr?
    Sie stand auf, warf die aufgerollten Leinen los, öffneten die Klemmen und nahm die Enden der sechs Leinen in die Hand, die links und rechts der Kajütentür verliefen. Sie setzte sich wieder, die Leinen in der einen, das Steuerrad in der anderen Hand.
    »Wir klauen also eine Yacht?«, rief sie zögerlich. »Einfach so?«
    »Besatzung, Mund halten!«, sagte er und kam wieder aufs Oberdeck.
    Er ging an ihr vorbei, stieg aufs Kajütendach und zog die Schutzplanen von den Segeln. Er ließ die Planen über Bord gehen, und sie sah ihnen nach, wie sie sich ausbreiteten und weiß im leichten Wellengang schwammen. Dann ging er um die Kajüte herum und schnitt die zehn Fender von der Reling. Auch sie schwammen. Grau und schwarz trieben sie dahin, bis sie sie nicht mehr sehen konnte.
    »Mathilde! Konzentration!«
    Ihr Kopf schnellte herum. Sie sah Robert erwartungsvoll an.
    »Nimm jetzt die weißgelben Leinen und zieh kräftig!«
    Sie suchte die beiden Leinen heraus, eine verlief rechts und eine links der Tür, und zuerst zog sie beide auf einmal, aber schnell musste sie eine weglegen, um an der anderen ziehen zu können.
    »Mehr!«, befahl Robert: »Schneller! Kräftiger! Mach hin, zieh, du Abziehbild eines Steuermanns! Zieh, Mathilde! Power!«
    Das Großsegel flatterte noch nicht einmal zu einem Viertel im Wind. Sie schüttelte den Kopf, puterrot im Gesicht, keuchend vor Anstrengung und mit aufgerissenen Augen.
    Robert winkte ab und nuschelte: »Mann, Mann, Mann!«
    Er kam zum Heck, stieß sie beinahe zurück zum Steuerrad und setzte mit sechs, sieben Handgriffen beide Segel. Er legte sie in den Wind, stellte die Klemmen fest und schaltete den Bordmotor aus.
    Der Wind fuhr in die Segel, ansonsten war nichts zu hören. Erwartungsvoll sah sie ihren Freund an, den sie zu kennen glaubte.
    » Ghost heißt das Schiff vom Seewolf , nur damit du es weißt«, sagte er: »Der Seewolf war ein Mann, der rohe Kartoffeln mit der Hand zerquetschte und der unberechenbar war, weil er einen verdammten Tumor im Kopf

Weitere Kostenlose Bücher